Mit Konfuzius zur Weltmacht
und sind so über Walkie-Talkie miteinander verbunden. In diesen Hallen verkauft sich am besten das Leibgericht der Bewohner von Chongqing – huoguo , wörtlich »Feuertopf«, oft mit dem englischen Ausdruck hot pot übersetzt. Das Essen kocht auf dem Tisch des Gastes: wie ein Fondue, aber garantiert ohne Käse. Ansonsten wird fast alles in die scharfe Brühe geworfen, von Lotuspflanzen bis zu Entendarm, Kuhmagen und Schweinenieren; immer nach dem Motto: Der Südchinese isst alles mit vier Beinen, das kein Tisch ist, alles, was schwimmt, das kein Schiff ist, und alles, was fliegt, das kein Flugzeug ist. In den Kesseln dampfen Chilischoten mit etwas Wasser durchmischt.
Der Essens- und Einkaufspalast gehört He Yongzhi, einer Multimillionärin, in China bekannt als die »Feuertopfkönigin«: Sie eröffnete ihr erstes Restaurant mit drei Töpfen auf 16 Quadratmetern. Jetzt besitzt sie 300 Feuertopf-Restaurants in der ganzen Welt, darunter in den USA, Kanada und Australien. Mit ihrer Dauerwelle und ohne weiße Strähne im dunkelbraunen Haar wirkt sie jünger als die 58 Jahre, die sie alt ist. Heute trägt sie Nadelstreifenanzug und einen bunten Seidenschal. Auch sie demonstriert Nähe zum Herrscher, auch sie ließ an den Eingang ihres Hauptrestaurants ein riesiges Foto hängen, das sie gemeinsam mit Präsident Hu Jintao zeigt. Sie engagiert sich als Abgeordnete im Nationalen Volkskongress. In den Gängen hier ist sie aber selbst die Herrscherin. In konfuzianischer Ehrerbietung verbeugen sich die Mitarbeiterinnen und sagen im Chor: »Vorsitzende He, guten Tag!«
»Den Menschen in Chongqing gefällt scharfes und prickelndes Essen«, sagt He Yongzhi. »Das hängt mit dem Klima hier zusammen. Die Sonne scheint selten, es ist feucht. Deshalb essen Chongqinger von ihrer Kindheit an Chili. Bei den Frauen kommt hinzu: Chili ist gut für die Haut. Aber alle Leute in Chongqing, egal ob Frau oder Mann, mögen besonders scharfes und prickelndes Essen.« He Yongzhis Feuertopf-Kette »Kleiner Schwan« soll eine weltweit erfolgreiche Marke werden wie McDonald’s oder Kentucky Fried Chicken. Deshalb achtet die Chefin streng auf Hygiene. In der Küche findet man nicht einen einzigen Fettfleck. In traditionellen Kitteln uniformierte Kellner stehen dort stramm, warten darauf, die Zutaten für den Feuertopf in den Gästesaal zu tragen.
Hauptgrund für He Yongzhis Erfolg ist neben ihrer Energie und Hartnäckigkeit ihre Weiterentwicklung des Feuertopfs, mit der sie den Siegeszug in ganz China und möglicherweise auch weltweit begründete. Der ursprüngliche Feuertopf ist selbst Liebhabern scharfer Küche viel zu scharf. Kaum jemand ist in Bezug auf Chili so abgehärtet wie die Einwohner von Chongqing. Zwar ist der Markt der größten Stadt schon groß. Um aber darüber hinaus zu expandieren, fand die Feuertopfkönigin eine Lösung. »Leute aus anderen Städten bekommen es bei dieser roten Soße mit der Angst zu tun«, erklärt sie. »Dann kam mir eine Idee: einen Feuertopf mit zwei Hälften anzubieten, einer scharfen und einer weniger scharfen. So hat sich der Feuertopf weiterentwickelt und erobert von Chongqing aus andere Städte und die ganze Welt.«
Die Restaurant- und Immobilienbesitzerin He Yongzhi und der Taxifahrer He Kun haben denselben Familiennamen. Dieser steht in China immer an erster Stelle, was die amerikanisch-chinesische Autorin Helen Wang auf die Bedeutung zurückführt, die Konfuzius der Familie beigemessen hat: »Ehrfurcht gegenüber den Eltern und Achtung gegenüber den älteren Brüdern – das sind die Wurzeln der Sittlichkeit.«
Fahrer He träumt davon, einmal solchen Erfolg zu haben wie seine Namensvetterin. Er fährt vorbei an Kränen. Baustelle reiht sich an Baustelle. In Chongqing wird alles neu. Der Taxifahrer sagt: »Ich denke ständig über die Zukunft nach. Mein Heimatdorf hat eine Besonderheit, es liegt sehr hoch in den Bergen. Das Fleisch und das Gemüse von dort sind sehr sauber und gesund, man kann sie als Bioprodukte bezeichnen. Ich möchte später ein Restaurant aufmachen, in dem dieses Essen angeboten wird.«
Taxifahrten sind in China relativ günstig. So sind sie das Verkehrsmittel des Mittelstands, dem der Bus zu unbequem, ein eigenes Auto aber zu teuer ist. Die Besitzer der Werbeagentur, Coco und ihr Mann, würden niemals ein Taxi benutzen. Aus ihrer Sicht ist das etwas für arme Leute. Er fährt einen Mercedes der M-Klasse, sie einen Toyota Camry – purer Luxus in China. Das Konzept der
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