Mit Konfuzius zur Weltmacht
Auf Druck der Behörden musste es in die 80 Kilometer entfernte Wasserstadt Tongli umziehen, ein kleines Venedig des Ostens.
Liu Dalin, Soziologieprofessor, Sexualwissenschaftler und Gründer des Museums, verweist auf das weibliche Prinzip des Yin und das männliche Prinzip des Yang in der altchinesischen Philosophie und Medizin. Auf ihnen beruht das ganze Universum. Und sie müssen in Harmonie zusammengeführt werden. »Vereinigung von Yin und Yang bedeutet gleichzeitig Geschlechtsverkehr«, sagt Professor Liu, »deshalb war Sex in China positiv belegt, anders als im Christentum.« So trieben es Bäuerinnen und Bauern auf ihren Äckern miteinander, weil sie glaubten, dies beschere ihnen reiche Ernten. Beim Bau verwendeten Chinesen »weibliche« und »männliche« Ziegel, die wie Penis und Vagina ineinanderpassen. Erst während der Song-Dynastie (960 – 1279) sei mit politischer Unterdrückung auch eine repressive Sexualmoral entstanden.
»Essen und Beischlaf sind die beiden großen Begierden des Mannes« , soll Konfuzius gesagt haben. Gemeinsam mit dem führenden deutschen Sexualwissenschaftler Professor Erwin J. Haeberle hat Liu Dalin ein Buch über 5000 Jahre Sexualkultur in China verfasst, Die Harmonie von Yin und Yang . Darin schreiben sie: »Konfuzius lag vor allem am Aufbau und der Erhaltung einer guten und gerechten Gesellschaft durch ein System gegenseitiger, fein abgestufter Verpflichtung. Die persönliche Erfüllung des Einzelnen war demgegenüber zweitrangig und hatte sich jedenfalls innerhalb der vorgegebenen Strukturen zu verwirklichen. Er bejahte aber das sexuelle Verlangen und hielt dessen Befriedigung für ebenso natürlich und notwendig wie die Nahrungsaufnahme. Er forderte lediglich, dass das Sexual-leben in den Rahmen der herrschenden Gesellschaftsordnung harmonisch eingebettet bleiben sollte. Nur die späteren sogenannten Neokonfuzianer entwickelten eine repressive, an die englischen und amerikanischen Puritaner erinnernde Prüderie.«
Während die Christen im Westen den Sex auf die Zeugung von Kindern beschränken wollten, hielten die Chinesen ihn einfach für gesund. Jahrtausende vor dem Feminismus dachten sie dabei auch an die Lust der Frau, deren Orgasmus sogar am wichtigsten für das Wohl von beiden Partnern sei. Wie ein moderner Erotikratgeber liest sich ein chinesischer Text, der in einer Grabstätte aus dem Jahr 168 vor Christus gefunden wurde – »Sieben Verluste und acht Vorteile«, nicht zu verwechseln mit »Acht Ehren und acht Schanden«, der Morallehre von KP-Chef Hu Jintao: »Vor dem Koitus darfst du mit dem Vorspiel nicht aufhören, bis sie bereit zum Eindringen ist. Das Prinzip heißt: Warten auf den rechten Augenblick. Warte und lasse dein Glied größer und härter werden. Dieses Prinzip heißt: Lebensenergie ansammeln. Dringe langsam ein und bleibe in Übereinstimmung mit deiner Partnerin. Das Prinzip heißt: Harmonie des Mannes mit der Frau.«
Auch zu diesen Wurzeln kehrt China jetzt zurück – und vermischt sie mit westlichen Einflüssen. »5th Avenue Hochzeitstraumfabrik« steht über dem schicken Geschäft in der nordostchinesischen Provinzstadt Qinhuangdao. Drinnen streicht der Fotograf Zhang Xulong, 39, über die nackte Brust von Liu Hui, 25, nimmt ihre Hand und legt sie ihr vorsichtig auf die entblößte Scham. Korrigiert noch etwas, bis die Pose sitzt. Um direkten Körperkontakt zu vermeiden, trägt der Fotograf weiße Handschuhe. Liu, sie besitzt einen Supermarkt, lässt die Nacktfotos nicht für einen Bräutigam machen, sondern für sich, möchte »einfach nur sich selbst ausdrücken«.
»Nacktaufnahmen sind bei uns noch verboten«, sagt der Fotograf, »deshalb nennen wir das ›Körperfotografie mit chinesischen Besonderheiten‹.« Eine Anspielung auf Parolen der Regierung, die vom »Sozialismus mit chinesischen Besonderheiten« spricht. Liu blickt lüstern, rekelt sich vor einer roten Holzbank im Stil der Tang-Dynastie (618 – 907). Der Fotograf trägt ein blau gestreiftes Hemd mit gestärktem, weißem Kragen und Manschettenknöpfen sowie Krawatte, er pflegt sein Image als Künstler. »Manche Frauen zahlen mir 30 000 Yuan für solche Bilder«, sagt er. Das sind umgerechnet knapp 3000 Euro, mehr als ein durchschnittliches Jahresgehalt in China.
Fotograf Zhang gilt als einer der Besten seiner Zunft – und als einer der Protagonisten der sexuellen Revolution in China. Für die steht auch Mu Zimei, studierte Philosophin. Ihre wilden Haarsträhnen hängen ihr
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