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Mit Leerer Bluse Spricht Man Nicht

Mit Leerer Bluse Spricht Man Nicht

Titel: Mit Leerer Bluse Spricht Man Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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hießen, konnte ich nicht direkt aufklären, sie redeten nicht mit mir. Die Jennifers waren etwas kontaktfreudiger: »Hi, there«, sagten sie und liefen weiter. Ich war wohl
There
, ihr Gruß ein antrainiertes Verhalten, das es ihnen ermöglichte, ihre amerikanisch gestylten Zahnreihen so oft wie möglich zu zeigen. Bei einigen Jennifers hatte ich schon beobachtet, dass sie auch ihren Spind für »There« zu halten schienen. Möglich, sie hielten auch mich für ein Wesen auf dem geistigen Niveau eines Spindes, nachdem ich es an einem einzigen Morgen schaffte, zuerst eine ganze Nation zu beleidigen und anschließend die Schule im Besonderen zu beschämen.
    Es hatte einfach nicht so gut angefangen, schon der Schulweg deutete wenig subtil auf die zu erwartende Katastrophe hin. Ich hatte mich auf einem vermeintlich freien Sitzplatz im Schulbus niedergelassen, was von fassungslosen Jennifers mit offenem Mund beobachtet wurde. Zunächst hielt ich ihre Maulsperre für die geheime Bewunderung meines raffinierten, sehr europäischen Outfits. Was ich in meiner Reisetasche an schwarz, gold und grau hatte finden können, trug ich auch zur Schau. Während sämtliche Jennifers sich für eine sportlich-kommerzielle Variante entschlossen hatten (graues Schul-Sweatshirt mit güldenem Aufdruck, schwarze Jogginghose), hatte ich ein langes, graues Männerunterhemd mit einer goldenen Strumpfhose kombiniert und trug dazu kniehohe Springerstiefel, sonst nichts. Während ich mich also in den ersten Sekunden meiner ersten Schulbusfahrt wie ein distinguiertes Model fühlte, das den Landpomeranzen wahren Schick vorführt, begriff ich am nächsten Halt flugs, welchen Fauxpas ich mir geleistet hatte: Ich saß auf Jennifers Platz. Und Jennifer, also die Amanda unter den Jennifers, fand das gar nicht witzig. Sie blieb wortlos, aber kaugummikauend dicht vor meiner Nase stehen, und ihre Haarspraywolke zwang mich in die Knie. Geräuschvoll sackte ich bei voller Fahrt auf den Boden des Busses und kroch wie ein geprügelter Hund zu dem einzig übrig gebliebenen freien Platz.
    Bis heute wundere ich mich, warum nicht ein einziger mir bekannter High-School-Film die durchaus komische Brisanz des »Platzes über dem Reifen« erwähnt.Auf diesem Platz eines amerikanischen Schulbusses spürt man jeden Kieselstein auf der Straße, jede Kurve schleudert einen durch die Gegend, es sei denn, man fängt den Schwung mit den Knien auf.
    Mein Schulweg führte durch einen Steinbruch, der in Serpentinen angelegt war. Wie Frankensteins Monster bewegte ich mich nach der Fahrt auf das Schulgebäude zu. Damit auch der minderbemitteltste Fünftklässler die Anspielung verstand, war ich wie immer erklärende einsachtzig groß, damit ich richtig auffiel.
    Meines gewagten Ensembles gewahr, überlegte der gesamte Lehrkörper angestrengt, wie sich die Schule vor dem drohenden sittlichen Verfall schützen könne. Man schlug vor, dass ich zur Feier des Tages in das Kostüm des Schulmaskottchens, Panty, dem Panther, gesteckt werden möge. Leider befand sich Pantys Oberkörper in der Reinigung, sodass ich lediglich eine sehr geräumige schwarze Hose mit langem Schwanz, Pantys Pants, ergattern konnte. Das gab aber ein sehr kleines Hallo, als mich der Direktor meiner neuen Klasse mit den denkwürdigen Worten »Sie kommt aus Europa. Da ist irgendwo Krieg, seid nett zu ihr« vorstellte. Wenigstens schaffte ich es, mich in eine Stuhl-/Bank-Kombination zu setzen, ohne über meinen Schwanz zu stolpern.
    Das alles hätte man wohl noch mit dem Krieg in Europa entschuldigen können, aber dann tat ich etwas Unverzeihliches: Nichts. Als alle aufstanden, blieb ich sitzen. Als sie ihre Hand Richtung Herz legten, sah ich irritiert auf die Uhr. Als sie auf die Flagge schworen,lachte ich hysterisch. Als ich fragte, ob Krieg sei, fragte mich niemand mehr irgendetwas.
    Am Ende dieser ersten Stunde nahm mich die Lehrerin beiseite und erkundigte sich, ob wir mein Verhalten auf eine plötzliche spastische Lähmung oder geistige Behinderung schieben sollten. Während ich die erste Lösung propagierte, hatte sie sich längst für die zweite entschieden. Trotzdem wollte sie mir die Chance geben, mich zu entschuldigen, und zwar medienwirksam. Vor den Kameras des schulinternen Senders sollte ich verkünden, dass ich mit den Sitten und Gebräuchen des Landes nicht vertraut sei, aber hoffe, viele neue Freunde und Eindrücke zu gewinnen. Den Krieg sollte ich besser nicht erwähnen.
    Ich schlurfte also in

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