Mit Leerer Bluse Spricht Man Nicht
Legendenranken durch. Das haben wir früher als Ich-AG angeboten, dann stellte sich heraus, dass man doch ein paar Scheinangestellte braucht, die erst einmal einen schlechten Ruf aufbauen. Haben Sie vielleicht eine düstere Vergangenheit, körperliche Gebrechen …? Ein Holzbein kommt immer gut an!«
»Leider nur die üblichen Zipperlein, aber ich könnte mich ja dann später spezialisieren …«
»Frau Buddenkotte, das ist wahrscheinlich nicht mehrdrin für Sie, es sei denn, sie schaffen sich innerhalb der nächsten Tage einen Buckel an. Und der kostet, das sage ich Ihnen. Was wäre denn hiermit: Junger Mann zum Mitreisen? Das könnte ich mir schön vorstellen für Sie …«
»Mit Verlaub, ich bin kein junger Mann …«
»Ja, meinen Sie denn, die suchen tatsächlich jemanden zum Reisen? – So alt und so naiv! Haben Sie schlimme Tätowierungen?«
»Ja, klar, wer nicht? Die sollten mich ja ursprünglich mal vor Arbeitsverhältnissen schützen …«
»Großartig! Frau Buddenkotte, wenn Sie jetzt auch noch einhändig eine Zigarette drehen können und lustige bunte Chips einsammeln möchten, dann haben wir es doch!«
»Nein, nein, das mache ich nicht. Kann ich auch gar nicht. Lesen sie selbst! Da steht, dass man in jeder Stadt wenigstens eine Rummelbraut zu schwängern hat, ha! Ich bin nicht qualifiziert!«
»Da haben Sie recht, schade, schade. – Nun gut, letzte Möglichkeit: Sie durchqueren mit einem Dreirad die Kalahari, fotografieren dabei wilde Kamele und halten darüber anschließend Dia-Vorträge an der Volkshochschule. Das ist doch schön, dann sind Sie auch weg aus meinem Zuständigkeitsbereich.«
»Hört sich interessant an. Aber vielleicht sollte ich das etwas auf meine Lebenssituation … äh … angleichen.«
»Wie stellen Sie sich das vor?«
»Also, ich könnte ja erst mal auf Puschelpantoletten meinen Hausflur durchqueren und die wild eingeworfenenWerbezettel kopieren. Und die werden anschließend in der Volkshochschule farbig ausgemalt. Wie wäre das?«
»Frau Buddenkotte, so machen wir’s! Aber eins müssten Sie mir versprechen. Dass sie nie wieder an meine Tür klopfen!«
»Abgemacht. Ich mach mich sofort auf den Weg. Danke Ihnen sehr!«
»Aber bitte. – Viel Glück, Frau Buddenkotte! Sehen Sie, wer wirklich Arbeit sucht, der findet auch welche!«
Unsätze des Lebens
Alle Jahre wieder wählt ein erlauchter Zirkel von Leuten, die sonst nichts Besseres zu tun haben, das »Unwort des Jahres«. Aber selbst an dieser vergleichsweise einfachen Aufgabe scheitern sie bereits. Oder warum sonst war das Unwort des Jahres 2001 »11. September«? Getoppt wurde dieser Unfug nur noch von »Die Achse des Bösen«, dem Gewinner des Folgejahres. Irgendwann beschloss ich, dass ich eingreifen musste. Wenn die Profis es schon nicht schafften, die richtigen Unwörter zu finden, sondern lieber auf Halbsätze und Verfallsdaten auswichen, konnte ich das Ganze auch gleich lieber selbst erledigen. Und zwar richtig, monumental und mit Garantiezeit. Also habe ich die zehn Unsätze meines bisherigen Lebens zusammengestellt, diejenigen Sätze nämlich, die ich nie wieder hören will. Statt sie chronologisch zu ordnen, erlaube ich mir, eine Top Ten zu erstellen, die von böse bis absolut verboten reicht.
Unsatz Nummer 10:
»Das verstehst du noch nicht, das erkläre ich dir später, in ein paar Jahren.«
Gefallen ist dieser Ausspruch circa tausendmal in meinen ersten Lebensjahren. Die Urheber waren natürlich meine Eltern. Bei diesem Unsatz frage ich mich heute noch, wie klar denkende Erwachsene davon ausgehen können, dass ein Kind nicht versteht, was der eine Hund da auf dem anderen macht, wohl aber die Zeitspanne von »ein paar Jahren« zu überblicken vermag.
Unsatz Nummer 9:
»Wir sind nicht wütend, nur enttäuscht.«
Dieser Unsatz ist das wirklich Gemeinste, was aus dem pädagogisch manipulierten elterlichen Mundwerk so herausflutschen kann. Auch dieser Ausspruch wiederholte sich des Öfteren in meiner Jugend und reizte mich so sehr, dass ich um Hausarrest und Fernsehverbot gebettelt habe, nur damit dieses enttäuschte Kopfschütteln endlich aufhören möge.
Unsatz Nummer 8:
»Jetzt weint die Lena, weil du sie nicht mitspielen lässt.«
Wahrscheinlich der Unsatz des Jahres 1979, gesprochen von meiner Kindergärtnerin, die gleichzeitig Mutter und Sprachrohr von Lena war. Was konnte ich dafür, dass ich nicht wusste, wie man
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