Mit Maedchen ueber Duran Duran reden - Ein junger Mann auf der Suche nach der wahren Liebe und einem coolen Haarschnitt
für die tagträumenden Gläubigen des Mondzeitalters, für süße Dinger, heiße Flittchen, königliche Huren, verführerische Vagabunden, Leute aus zerrütteten Familien, Nacht schwärmer, Pin-ups, junge Kerle und gruselige Monster. Sie traten in Scharen auf und schmiedeten Ränke in dunklen Ecken. Und man konnte einer von ihnen werden, indem man einfach zuhörte. Unter dem Buchstaben »B« im örtlichen Plattenladen konnte man fündig werden. Also fing ich an, ganze Nachmittage dort herumzuhängen.
Okay, es war ziemlich unwahrscheinlich, dass das astralreisende Rebellenmädchen meiner Träume bei Pop corn Records im South-Shore-Einkaufszentrum von Braintree, Massachusetts, auftauchen, etwas Sternen staub auf mich streuen und mich auf eine wilde Fahrt über die großen Highways unserer Jugend mitnehmen würde. Aber man konnte ja nie wissen, oder? Andere Pläne hatte ich schließlich nicht. Und darauf zu warten, dass sie aus einem Bowie-Song gestolpert kam, war viel einfacher, als rauszugehen und sie zu suchen, was offen gesagt für einen verdrucksten kleinen Nachwuchsschürzenjäger wie mich ohnehin nicht in Frage kam.
Es war übrigens auch die Ära, in der Pat Benatar groß rauskam. Als Reaktion darauf hatte das Parlament von Massachusetts ein Dekret erlassen, dass keine weibliche Person zwischen zwölf und vierzig mehr das Haus verlassen durfte, ohne eine rattenscharfe Stirnband-und-Gymnastikanzug-Kombination zu tragen. (Das war noch vor der bahnbrechenden Stulpen-Verordnung von 1983.) Aber mein New-Wave-Mädchen war irgendwo da draußen. Da war ich mir ganz sicher. Ich würde sie sofort erkennen, denn ihr Kleid wäre zerrissen und ihre Schminke verschmiert. Sie würde sich meiner struppigen Haare, meiner Barracuda-Trainingsjacke und der unverwüstlichen Hosen von Toughskin erbarmen und einen Gleich gesinnten in mir erkennen. Sie würde mir womöglich etwas über Mode beibringen oder mich zumindest ein wenig auf Vordermann bringen und etwas von ihrem Glanz auf mich herabscheinen lassen. Und Bowie würde mich in ihre Welt führen.
Bowie wurde zu einer richtigen Manie von mir. Der Bowieismus, sein Futurismus und die ganze New-Wave-Mythologie, die er erfand, waren eine Lebensart, die ich einfach prima – eben total »hunky dory« 4 – fand. Ich konnte keine Tickets ergattern für seinen Auftritt im Boston Sullivan Stadium, aber ich war ein getreuer Zuhörer, als der Radio-DJ auf WBCN all denjenigen von uns, die vom Konzert ausgeschlossen waren, mit einem Bowie-Marathon über die Nacht hinweghalf. Kurz nach Mitternacht trudelten ein paar andere Radio-DJs direkt aus dem Stadion im Studio ein und plapperten wie aufgedrehte Kinder davon, wie hervorragend er gewesen sei und wie sie ihm backstage in die Augen hatten sehen können und dass sie wirklich unterschiedliche Farben hatten. Dann verkündeten sie, sie hätten einen Zigarettenstummel aus Bowies Aschenbecher geklaut, den sie nun feierlich anzünden und live auf Sendung rauchen würden. Hörte ich weiter zu? Selbstverständlich! Ich blieb dran, und vermutlich hatte ich einen fantastischeren Abend als Josh, der mit seinen beiden großen Schwestern auf dem Konzert war und sich dem Anlass hatte würdig erweisen wollen, indem er versucht hatte, seine Haare orange zu färben. Ein cooler älterer Konzertbesucher bemerkte ihn in der Schlange am Hotdog-Stand und kicherte: »Hey, du Clown, was geht?« Daran muss ich noch heute denken. Ich schätze, ein wahrer Angehöriger der Bowie-Welt wäre nie so fies gewesen.
Bowies großer Radiohit zu der Zeit, als ich die achte Klasse besuchte, war »Ashes to Ashes«, die Fortsetzung von »Space Oddity«, mit der er noch einmal die Ge schichte von Major Tom aufwärmte. Bowie klang, als wäre er im Stimmbruch, so wie ich. Er nuschelte und jammerte, als säße er tatsächlich sehr verängstigt irgendwo fest und hätte keine Ahnung, wie er wieder zurück nach Hause kommen sollte, als hätte er den Bus um zwanzig nach sieben vom Einkaufszentrum verpasst. Am Ende schrie er: »I want to come down right now!« Aber Major Tom kam nicht herunter, er schwebt immer noch da oben umher, doch heute hört man ihm nicht einmal mehr zu oder bedauert ihn gar.
»Ashes to Ashes« ist Bowies berühmtestes Video – es ist ein gefeiertes Kunstwerk, eines das ich schon in einer Ausstellung im New Yorker Museum of Modern Art gesehen habe. Aber damals gab es noch kein MTV, also war »Ashes to Ashes« bloß ein Radiohit. Das einzige Mal, dass ich das
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