Mit Maedchen ueber Duran Duran reden - Ein junger Mann auf der Suche nach der wahren Liebe und einem coolen Haarschnitt
gehabt, und ich wusste, dass irgendjemand daran schuld sein musste – denn an mir konnte es ja schlecht liegen. Also beschloss ich, dass Madonna schuld war. Ich hatte ziemlich klare Vorstellungen von der Welt, und mein Plan, eine Freundin zu bekommen, bestand darin, mir die Welt so zurechtzubasteln, dass sie eben diesen Vorstellungen entsprach. Ich hielt das keineswegs für überzogen. Nur, dummerweise erinnerte mich Madonna immer wieder daran, wie scheiße ich eigentlich war. Das nahm ich ihr bitter übel, und deshalb betete ich, sie möge bald kein Star mehr sein. Aber ich war mir sowieso sicher, dass sie sich nicht lange halten würde.
Im August nahmen meine Eltern meine Schwestern und mich mit auf eine Europareise. Wir vier quetschten uns auf den Rücksitz eines Mietwagens und wurden so durch Spanien, Italien und Frankreich kutschiert. Es war also ein Sommer, den ich zusammen mit meinen Schwestern im Auto verbrachte, wie so viele andere Sommer während so vieler anderer Autoreisen. Wir saßen auf dem Rücksitz und krähten jeden Song, den wir kannten, von »American Pie« bis zum dem Musical Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat . Und Ann und Caroline sangen alle Lieder von Ronnie Milsaps Greatest-Hits-Album, nur um Tracey und mich zu ärgern.
Ich hatte Virginia Woolfs Mrs. Dalloway als Urlaubslektüre dabei. Das Buch war ein Geschenk von einem Mädchen, das ich sehr mochte, also las ich ihre Widmung noch hingebungsvoller als den Roman selbst. »Für Dich« hatte sie auf die Innenseite des Covers geschrieben. »Lies es und denk an mich. Dieser Kuli ist schrecklich …« Bei der Hälfte von »schrecklich« war die Tintenpaste ausgegangen, und ich blieb auf meinen Fragen sitzen. »Für Dich«? Was hieß das? Und warum hatte sie nicht einfach einen neuen Stift genommen, um die Widmung zu Ende zu schreiben, ihren Namen darunter zu setzen und vielleicht sogar ein paar Herzen oder Umarmungen und Küsse. Es war mir ein Rätsel. Der Roman gefiel mir sehr, aber ich muss zugeben, dass meine Gedanken immer wieder um die Widmung dieses Mädchens kreisten.
Wir hatten ein Autoradio, aber wir schalteten es nur selten ein, denn es wurde fast ausschließlich Madonna gespielt, genauso wie zu Hause in den Staaten.
Jeder von uns freute sich besonderes auf eine bestimmte Etappe der Reise: Anne auf Rom, Tracey auf Mailand und Caroline auf die Ruinen von Pompeji. Ich dagegen setzte große Hoffnungen in Lourdes, den katholischen Wallfahrtsort in der französischen Provinz. Ich war neunzehn und frömmelte ziemlich. Ich hatte mit meiner verkorksten Leidenschaft für den Katholizismus zu kämpfen, die sich ganz unvermeidlich mit meiner verkorksten Leidenschaft für Madonna mischte.
Was den Glauben betraf, war ich meine ganze Jugend über etwas überhitzt. Es fiel mir schwer, mit irgendjemandem darüber zu sprechen, obwohl ich gläubig erzogen wurde und unzählige wohlwollende Erwachsene um mich hatte, denen ich mich hätte anvertrauen können. Ich war sowieso schon ziemlich katholisch geprägt, aber als ich älter wurde, fing ich an, es etwas zu übertreiben. Ich übte mich sogar darin, die Handlungen der Protagonisten aus den Fernsehserien, die ich guckte, präzise in Todsünden und lässliche Sünden zu unterteilen.
Bis zum Alter von sechzehn Jahren war ich Messdiener, was ziemlich lang ist. Dann passte ich beim besten Willen nicht mehr in das Altargewand. Trotzdem besuchte ich weiter den Katechismusunterricht, was sonst wirklich keiner tut. Natürlich war ich auch der einzige Junge in der Gruppe. Einmal fragte der Lehrer die Mädchen: »Und mit welcher von euch geht er?« Regina Kelley, die die ganze Geschichte anschließend natürlich brühwarm meinen Schwestern weitererzählte, antwortete: »Na ja, er ist ziemlich schüchtern.« Der Lehrer erwiderte: »Aha, das ist auch besser so!« Ich schämte mich in Grund und Boden, als mir meine Schwestern davon berichteten. Wenn es so weit ist, dass sogar der Religionslehrer versucht, dich zu verkuppeln, dann ist dein Privatleben vermutlich ein Fall für den heiligen Judas, den Schutzpatron der hoffnungslosen Fälle.
Für mich bot der Glaube eher eine Flucht vor der Realität, keine Verbindung zu ihr. Ich hatte alle meine religiösen Spleens aus Büchern und behielt sie hartnäckig für mich. Jeden Sonntagnachmittag um vier ging ich zur Beichte. Das war der einzige Termin, an dem man beichten konnte, denn es ging sowieso niemand hin, außer den immer gleichen fünf oder sechs
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