Mit Maedchen ueber Duran Duran reden - Ein junger Mann auf der Suche nach der wahren Liebe und einem coolen Haarschnitt
Heilung oder einem Zeichen. Ich machte bloß große Augen und versuchte, alles aufzunehmen. Ich war dort hingekommen als ein neunzehnjähriger Tourist, der alles wusste, und plötzlich fühlte ich mich, als hätte ich auf nichts mehr eine Antwort. Es war beängstigend, klar, und genau wie ein Punkkonzert war es total aufregend.
Ich habe oft versucht, die Religion abzuschütteln, aber jedes Mal musste ich frustriert feststellen, dass es mir einfach nicht gelang. Ganz gleich, wie sehr ich mich auch bemühte, die katholische Region aus meinem Hirn zu verbannen, ich habe damit nur erreicht, ein schlechter Katholik zu sein. Es ist wie das, was Lou Reed dem Musikjournalisten Lester Bangs einmal über Drogen sagte: »Ich mache kein Geheimnis daraus, dass ich Amphetamine nehme. Jeder vernünftige Mensch würde es tun, wenn er die Gelegenheit dazu bekäme. Aber ich bin gegen eine Legalisierung, denn ich will nicht, dass da draußen nur noch grinsende Idioten herumlaufen.« Das entspricht im Grunde genommen meiner Haltung zur Religion. Sie ist eine Droge, die ich missbrauche, aber ich will ihr nicht auf Schritt und Tritt begegnen.
Diese Beziehung ist keine Romanze. Gott ist nicht wie die eigene Freundin – er ist die Freundin deines Mitbewohners, eine, mit deren ständiger Anwesenheit du dich wohl oder übel abfinden musst. Du kannst deinem Mitbewohner die Freundschaft aufkündigen, du kannst dich von deiner eigenen Freundin trennen, aber von der Freundin deines Mitbewohners kannst du dich nicht trennen, und selbst wenn ihr beide mit dem Mitbewohner durch seid, könnt ihr trotzdem nicht miteinander Schluss machen. Lange nachdem du ausgezogen bist und sie sich getrennt haben, wird sie auf Partys noch zu dir kommen und »Hi« sagen. Du wirst sie in der Bibliothek treffen, wo sie arbeitet, oder in der Kneipe, in der sie Bier zapft. Du wirst keine Szene machen, denn Tatsache ist, dass man, was das betrifft, zur Exfreundin eines Mitbewohners höflicher ist als zur eigenen Exfreundin oder ihrem Ex-Mitbewohner. Du ziehst ihr gegenüber nicht das »Du erinnerst mich an eine Wohnung, die ich am liebsten vergessen würde, in der ich aber festsitze«-Gesicht und genauso wenig das »Ich habe dich durch die Wand den Namen des Versagers schreien hören, der noch immer nicht die Telefonrechnung bezahlt hat«-Gesicht.
Stattdessen empfindest du nur vages Mitleid für sie. Sie kennt sonst niemanden auf der Party. Du bist derjenige, den sie vollquatscht, und das gefällt dir gar nicht. Wieso du? Wieso sie? Großartig, jetzt musst du sie auch noch nach Hause fahren. Sie leidet, und wahrscheinlich hat sie auch noch ihre Tage, und das ist nun wirklich nicht dein Problem, also warum lernt sie nicht endlich mal, auf sich selbst aufzupassen?
Das entspricht im Prinzip auch meiner ganz persönlichen Vorstellung von Gott – ein Kiffermädchen, das das ganze Wochenende noch keine feste Nahrung zu sich genommen hat, es aber nicht zugeben will. Sie trifft fatale Entscheidungen und sagt Sachen, über die sie nicht wirklich nachgedacht hat. Wenn ich versuche, mit Gott zu kommunizieren, dann ist es im Grunde so, als würde ich mit diesem Kiffermädchen reden und versuchen, sie höflich dazu zu bringen, etwas Vernünftiges zu essen. »Hey, es interessiert mich total, was du sagst, und ich kann es kaum erwarten, dieses Gespräch fortzusetzen, also lass mich dir ein Sandwich machen, und dann können wir weiterreden, okay?«
Mit neunzehn dachte ich ernsthaft, wenn ich das Problem mit der Religion in den Griff bekäme, dann würde ich auch nicht mehr über all diesen Mist nachdenken müssen. Dass ich es nie in den Griff bekam, macht mich wütend. Ich hatte nicht erwartet, dass ich als Erwachsener noch immer an diesen Dingen zu knabbern hätte – aber ich dachte auch nicht, dass ich dann noch immer jedes Jahr das neue Madonna-Album kaufen würde. Und weil Madonna, die so furchtlos mit dem Rosenkranz herumfuchtelte, innerlich ebenso zerrissen und voller Scham war wie ich, ist vielleicht auch sie noch immer von der Religion genervt. Sie hat sogar ihre Tochter Lourdes genannt. Und da Madonna, wie so viele andere provokante junge Mädchen, im Erwachsenenalter, was die Religion betrifft, eher eine Langweilerin wurde, war sie wohl doch nicht so mutig und unabhängig, wie ich damals dachte. Vermutlich war sie genauso verkorkst und voller Angst wie ich selbst. Vielleicht hat sie mich ja gelehrt, ein wenig Mitleid mit den Göttern zu haben. Aber viel wahrscheinlicher
Weitere Kostenlose Bücher