Mit offenen Karten
glauben, dass es der Doktor war. Ein Arzt kann jemanden auf viel einfachere Weise umbringen. Mit einem Medikament – oder so etwas.»
«Also glauben Sie, dass, wenn es jemand war, es Mrs Lorrimer gewesen sein muss?»
«O nein. Ich bin überzeugt, dass sie so etwas nicht tun würde.
Sie ist so nett – und eine so angenehme Partnerin beim Bridge; obwohl sie selbst gut spielt, korrigiert sie nie und schüchtert einen nicht ein.»
«Und doch ließen Sie ihren Namen als letzten», sagte Battle. Battle vollführte sein Zauberkunststück. Anne Meredith zuckte zurück.
«Oh, wie schrecklich. Muss ich es – in die Hand nehmen?»
«Das wäre mir lieb.»
Er beobachtete sie, wie sie mit vor Abscheu verzerrtem Gesicht das Stilett zimperlich in die Hand nahm.
«Mit diesem winzigen Ding – mit diesem…»
«Geht hinein wie geschmiert», erläuterte Battle mit Behagen. «Ein Kinderspiel.»
«Sie wollen sagen – Sie meinen…», große, entsetzte Augen hefteten sich auf sein Gesicht –, «dass ich es getan haben könnte? Aber ich habe es nicht getan. O nein. Warum hätte ich es tun sollen?»
«Das ist es eben, was wir gern wissen möchten», erklärte Battle. «Wo ist das Motiv? Warum wollte jemand Shaitana umbringen? Er war ein Mensch mit etwas eigenartigem Humor, aber meines Wissens nicht gefährlich.»
Stockte ihr Atem – hob sich ihre Brust plötzlich?
«Er war doch zum Beispiel kein Erpresser oder etwas Ähnliches?», fuhr Battle fort. «Und jedenfalls, Miss Meredith, sehen Sie nicht wie ein Mädchen aus, das eine Menge düsterer Geheimnisse hat.»
Sie lächelte zum ersten Mal, durch sein Wohlwollen beruhigt.
«Nein. Ich habe überhaupt keine Geheimnisse.»
«Also machen Sie sich keine Sorgen, Miss Meredith. Wir werden Sie wahrscheinlich aufsuchen und noch einige Fragen an Sie stellen müssen, aber das wird reine Formsache sein.»
Er stand auf.
«Jetzt gehen Sie nachhause. Mein Constable wird Ihnen ein Taxi besorgen; und lassen Sie sich nicht durch böse Gedanken den Schlaf rauben. Nehmen Sie ein gutes Beruhigungsmittel.»
Er begleitete sie hinaus. Als er zurückkam, sagte Colonel Race leise und belustigt:
«Battle, was für ein vollendeter Heuchler Sie doch sind! Ihr väterlicher Ton war unübertrefflich.»
«Es hat keinen Sinn, mit ihr die Zeit zu vertrödeln, Colonel Race. Entweder das arme Kind ist zu Tode erschrocken – dann wäre es eine Grausamkeit, und ich bin kein grausamer Mensch, war es nie –, oder sie ist eine perfekte kleine Komödiantin, und da würden wir nicht weiterkommen, wenn wir sie die halbe Nacht hier behielten.»
Mrs Oliver seufzte und fuhr sich mit der Hand ungeniert durch ihre Ponyfransen, bis sie gerade in die Luft standen, was ihr ein völlig betrunkenes Aussehen verlieh.
«Wissen Sie», sagte sie, «jetzt möchte ich fast glauben, dass sie es war! Ein Glück, dass es nicht in einem Buch ist. Man will nicht, dass es das schöne junge Mädchen gewesen ist. Trotzdem glaube ich fast, dass sie es getan hat. Was meinen Sie, Monsieur Poirot?»
«Ich, ich habe soeben eine Entdeckung gemacht.»
«Wieder in den Bridgeabrechnungen?»
«Ja, Miss Meredith dreht ihr Blatt um, liniert die Rückseite und verwendet es ebenfalls.»
«Und was schließen Sie daraus?»
«Dass sie von Haus aus arm oder von Natur aus sparsam veranlagt ist.»
«Sie trägt teure Kleider», gab Mrs Oliver zu bedenken. «Schicken Sie Major Despard herein», sagte Battle.
7
D espard betrat mit seinem schnellen, federnden Schritt das Zimmer. Ein Gang, der Poirot an irgendetwas oder irgendjemand erinnerte.
«Ich bedaure, dass ich Sie so lange warten ließ», sagte Battle, «aber ich wollte die Damen so schnell wie möglich nachhause gehen lassen.»
«Aber das ist doch selbstverständlich.»
Er setzte sich und sah Battle fragend an.
«Wie gut kannten Sie Mr Shaitana», begann dieser.
«Ich habe ihn zweimal getroffen», erwiderte Despard rasch.
«Nur zweimal.»
«Bei welchen Anlässen?»
«Vor einem Monat trafen wir uns bei einem Diner, und eine Woche später lud er mich zu einer Cocktailparty ein.»
«So. Wo fand die statt – in diesem Zimmer oder im Salon?»
«In allen Zimmern.»
«Haben Sie dieses kleine Ding herumliegen gesehen?»
Battle zog noch einmal das Stilett hervor.
Despards Lippen kräuselten sich leicht.
«Nein», sagte er, «ich hatte es mir bei jener Gelegenheit nicht zur künftigen Verwendung vorgemerkt.»
«Kein Grund, mir vorzugreifen, Major Despard.»
«Verzeihen Sie,
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