Mit offenen Karten
vielmals. Gute Nacht, Miss Dawes.»
«So», sagte Rhoda, als Anne ins Zimmer zurückkam, nachdem sie Superintendent Battle hinausbegleitet hatte. «Das hätten wir, und es war gar nicht so schrecklich. Er ist ein ganz netter, wohlwollender, väterlicher Mensch und verdächtigt dich offenbar nicht im Geringsten. Es war alles um so viel besser, als ich gedacht hatte.»
Anne ließ sich aufatmend nieder.
«Es war wirklich nicht schwer», gab sie zu. «Es war dumm von mir, mich so aufzuregen. Ich dachte, er würde versuchen, mich einzuschüchtern – wie die Staatsanwälte auf der Bühne.»
«Er sieht recht vernünftig aus. Er weiß ganz gut, dass du keine mordlustige Frau bist.»
Sie hielt inne und sagte dann:
«Sag, Anne, warum hast du eigentlich nicht erwähnt, dass du in Croftways warst? Hast du’s vergessen?» Anne erwiderte langsam:
«Ich habe gedacht, dass es nicht zählt. Ich war nur einige Monate dort. Und es ist niemand mehr da, bei dem man sich über mich erkundigen kann. Ich kann ja schreiben und es ihm sagen, wenn du glaubst, dass es etwas ausmacht, aber ich bin sicher, dass es nichts ausmacht. Lassen wir es lieber.»
«Gut, wenn du meinst.»
Rhoda stand auf und drehte das Radio an.
Eine raue Stimme sagte:
«Sie hörten eben die Black Nubians spielen. ‹Warum belügst du mich, Baby?›»
15
M ajor Despard trat aus seinem Hotel, bog scharf in die Regent Street ein und sprang auf einen Autobus.
Um diese Tageszeit war wenig Verkehr, und auf dem Oberdeck des Autobusses waren nur wenige Plätze besetzt. Despard ging nach ganz vorn.
Er war auf den fahrenden Autobus gesprungen. Jetzt blieb der Autobus an der Haltestelle stehen, nahm Fahrgäste auf und setzte seinen Weg die Regent Street hinauf fort.
Ein zweiter Fahrgast erklomm die Stufen, ging nach vorn und setzte sich auf einen Vorderplatz auf der anderen Seite. Despard bemerkte den Neuankömmling nicht, aber nach einigen Minuten flüsterte ihm eine Stimme zu:
«Man hat einen schönen Blick auf London vom Oberdeck eines Autobusses, nicht wahr?»
Despard wandte den Kopf. Einen Augenblick lang sah er verdutzt drein, dann klärten sich seine Züge.
«Pardon, Monsieur Poirot. Ich habe Sie gar nicht erkannt. Ja, Sie haben Recht, man hat von hier aus eine prächtige Aussicht. Aber seinerzeit war es noch schöner, als man noch nicht in einem Glaskäfig saß.»
Poirot seufzte.
« Tout de même war es bei nassem Wetter nicht angenehm, wenn unten alles voll war. Und in diesem Land ist viel nasses Wetter.»
«Regen? Regen hat noch nie jemandem geschadet.»
«Da irren Sie sich», sagte Poirot. «Es führt oft zu einer fluxion de poitrine. »
Despard lächelte.
«Ich sehe, Sie gehören zu der ‹Zieh dich warm an›-Schule, Monsieur Poirot.»
Poirot war tatsächlich gegen die Tücken eines Herbsttages gut gewappnet. Er trug einen Überrock und einen Schal um den Hals.
«Welcher Zufall, dass wir uns hier treffen», meinte Despard.
Er sah das Lächeln nicht, das der Schal verdeckte. An dieser Begegnung war nichts Zufälliges. Nachdem Poirot sich vergewissert hatte, wann Despard das Haus zu verlassen pflegte, hatte er auf ihn gewartet. Er hatte es vorsichtigerweise nicht riskiert, auf den fahrenden Autobus aufzuspringen, aber er war ihm zur nächsten Haltestelle nachgetrabt und hatte ihn dort bestiegen.
«Wirklich. Wir haben uns seit jenem Abend bei Shaitana nicht mehr gesehen», erwiderte er.
«Haben Sie bei dieser Sache nicht Ihre Hand im Spiel?», fragte Despard.
Poirot kratzte sich leicht am Ohr.
«Ich denke über die Sache nach», sagte er, «ich denke angestrengt nach. Hin und her laufen, Nachforschungen anstellen, das nicht. Das entspricht weder meinem Alter noch meinem Temperament noch meiner Figur.»
Despard erwiderte erstaunlicherweise:
«Nachdenken? Nun, Sie könnten nichts Besseres tun. Es wird heute viel zu viel herumgerast. Wenn die Leute sich hinsetzen und über eine Sache nachdenken würden, ehe sie sie in Angriff nehmen, gäbe es weniger Durcheinander.»
«Ist das Ihre Methode im Leben, Major Despard?»
«Gewöhnlich. Man orientiere sich, wähle seine Marschroute, fasse einen Entschluss und halte an ihm fest!»
Sein Mund schloss sich grimmig.
«Und dann kann nichts mehr Sie von Ihrem Entschluss abbringen, nicht wahr?»
«Oh, das will ich nicht sagen. Es hat keinen Sinn, starrköpfig zu sein. Wenn man einen Fehler begangen hat, soll man ihn eingestehen.»
«Aber ich stelle mir vor, dass Sie nicht oft Fehler
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