Mit Pflanzen verbunden
ausheilen kann.“
Möglicherweise hatte sie recht. Ich würde den Doktor noch einmal fragen. Außerdem, 2000 Dollar waren eine Menge Geld für uns; es machte mindestens die Hälfte unserer Ersparnisse aus.
Nach einer Weile erschien eine Krankenschwester, eine einsatzbereite, nach oben gerichtete Spritze in der Hand haltend, und befahl mir, mich zu bücken, „So, das wird Sie in einen Schlummerzustand versetzen, bis Sie dann die volle Narkose bekommen.“
„Moment, dazu bin ich noch nicht bereit. Ich will erst noch einmal mit dem Arzt sprechen,“ sagte ich ihr und erwartete eine Widerrede, so in etwa: „Stellen Sie sich nicht so an; so ein großer Mann wie Sie braucht doch keine Angst vor einem kleinen Pikserchen zu haben. Das tut gar nicht weh!“ Aber nein, es kam keine Widerrede. Sie drehte, die Spritze noch immer in Position haltend, auf der Stelle um und verschwand wortlos aus dem Zimmer. Ein Roboter in Menschengestalt, der für eine solche Situation nicht vorprogrammiert worden war! Und dann verging eine halbe Stunde, dann noch eine weitere halbe Stunde. Inzwischen setzte sich in mir der Gedanke fest, dass die Operation wahrscheinlich doch unnötig sein könnte. Also zog ich das Leibchen aus, legte das Armband ab und zog mich mit Mühe und Not – jede Bewegung verursachte stechende Schmerzen – wieder an. Den Arzt wollte ich nur noch fragen, wie man die verletzte Schulter am besten verbinden könne. Wenn ich der Spritze zugestimmt hätte, hätte ich die ganze Zeit im Dämmerzustand verbracht.
Eine weitere halbe Stunde verging. Da trat plötzlich der Arzt, zusammen mit dem Assistenzarzt und einer Krankenschwester, ins Zimmer. Er sah verkatert aus, wahrscheinlich hatte er in der Nacht zuvor zu tief ins Glas geschaut. Er war zornig wie der alttestamentarische Gott. Mit gewichtiger Stimme tönte er: „Was höre ich da? Sie verweigern die Operation?“
„Nein, ich wollte mich nur noch einmal vergewissern, ob sie unbedingt notwendig ist. Was hätte man denn im Mittelalter getan, ehe es die moderne Chirurgie gab? Kann man es denn nicht mit einem Verband ...“
„Kommen Sie mir nicht mit dem Mittelalter! In Ihrem Alter wären Sie damals schon längst tot gewesen“, fiel er mir erregt ins Wort. „Nur dank des medizinischen Fortschritts leben die Menschen heutzutage so lange.“
„Das können Sie mir nicht erzählen, das ist Fortschrittsideologie“, entgegnete ich ihm. „Ich bin nämlich Anthropologe und weiß, wie die Statistiken über durchschnittliches Lebensalter zustande kommen. Man behauptet ja auch, dass das Durchschnittsalter in der Dritten Welt nur rund dreißig Jahre beträgt. Aber das stimmt nicht. Die Säuglingssterblichkeit, die in diesen Ländern hoch ist, wird mit der Erwachsenensterblichkeit zusammengerechnet und das Resultat ist eine niedrige statistische Lebenserwartung. Das hat aber weniger mit medizinischer Rückständigkeit zu tun als mit mangelnder Hygiene, schlechter Ernährung und anderen Auswirkungen eines ausbeuterischen Weltwirtschaftssystems. Natürlicherweise würden die Menschen in der Dritten Welt ebenso alt werden wie hier in Amerika.“
Der Assistenzarzt lächelte. Er war Filipino und freute sich, dass jemand diese enthnozentrischen Vorurteile gegenüber den so genannten „unterentwickelten“ Ländern nicht teilte.
Wieder ging die Tür auf. Die Anästhesistin stürmte herein, fixierte mich mit finsterem Blick und sagte: „Ich könnte jemanden umbring ... 2 “, hielt jedoch inne, ehe sie den Satz beendete. Ja, kein Zweifel, sie hätte die Fähigkeit gehabt mich mit ihren Anästhesiemitteln aus dem Leben zu befördern. Dann fügte sie, sich selbst bemitleidend, hinzu: „Wegen dieser Operation habe ich mein Golfspiel in Cleveland verpasst.“
Ich wandte mich wieder an den Chirurgen: „Könnten Sie mir wenigstens sagen, wie man diese Verletzung sachgemäß verbindet, so dass die Knochen fixiert sind?“
„Ich sage Ihnen gar nichts! Machen Sie, dass Sie fortkommen!“, schrie er. Er hatte die Kontrolle über sich verloren. Ich musste nur noch eine Erklärung unterschreiben, dass ich auf eigene Verantwortung, entgegen ärztlichem Rat, das Krankenhaus verlasse. Dann defilierten wir am ungläubig gaffenden Krankenhauspersonal vorbei, durch den Flur und den Ausgang hinaus ins Freie.
Der angebundene Hund begrüßte uns mit freudigem Schwanzwedeln. Als wir ihn freiließen, raste plötzlich ein anderer Hund auf ihn zu, attackierte ihn und biss ihm ins Ohr, so dass es
Weitere Kostenlose Bücher