Mit Pflanzen verbunden
ruckartig wieder zu sich. „Ähm, entschuldige, ... äh ... ich habe hier mal gewohnt. Wollte nur mal gucken, wie es aussieht“, sagte er und fügte hinzu: „Irgendwie komm ich nicht los von hier.“
„Setz dich auf die Bank, wir können ja ein Bier trinken, und du kannst mir deine Geschichte erzählen“, sagte ich und war gespannt, was er über den Ort, an dem wir nun seit einigen Jahren lebten, zu erzählen hatte.
Das alte Klostergebäude, das irgendwann im Dreißigjährigen Krieg von einem Appenzeller Pächter in seiner gegenwärtigen Form wieder aufgebaut worden war, hatte in den siebziger Jahren leergestanden. Da hatte er sich, als Hippie auf der Flucht vor den Wirren der Großstadt, mit Kind und Kegel so lange hier eingenistet, bis ihn schließlich der harte Allgäuer Winter wieder vertrieb. Im Spätsommer, beim Gang durch den Wald, fielen ihm die vielen Tollkirschen auf, die auf dem Berg wuchsen. Er hatte zwar gelesen, dass sie giftig seien – aber wer glaubt schon alles, was er liest? Außerdem geht Probieren über Studieren. Also kostete er eine Beere. Süß schmeckte sie! Er kostete noch eine. Im Ganzen muss er um die 15 Stück gegessen haben. (Für Kinder können schon drei bis vier Beeren tödlich sein, für einen Erwachsenen werden zehn bis zwölf Beeren als tödliche Dosis angegeben. Mit Blättern sind Vergiftungen ab 0,3 g möglich.) Es endete damit, dass er zwei volle Tage im Wald lag und sich nicht bewegen konnte. Es forderte seine gesamte Kraft und Willensanstrengung, die Atmung aufrechtzuerhalten.
„Hattest du Flugerlebnisse oder irgendwelche außerkörperlichen Erfahrungen?“, wollte ich wissen.
„Nein“, antwortete er, „es kam mir nur so vor, als ob ich meine Tochter, die in einer weit entfernten Großstadt lebte, sah und dass sie sehr besorgt war.“ Nachdem er endlich wieder zu sich gekommen war, wollte er kein Wort sprechen. Es dauerte drei Monate, bis er wieder anfing zu reden. Nicht, dass er nicht sprechen konnte, er sah einfach keinen Sinn darin. „Es ist doch sowieso alles, wie es ist, was gibt es da zu sagen?“ Auch andere Dinge, die die Menschen taten, kamen ihm sinnlos vor. Obwohl inzwischen viele Jahre vergangen waren, richtig Fuß gefasst – so schien es mir – hat er nie wieder. Die Vergangenheit hielt ihn im Bann. Die Belladonna hatte ihn noch nicht wieder losgelassen. „Pfüat di Gott“ – führ (dich) Gott – sagt man zum Abschied im Allgäu, und das wünschte ich ihm von ganzem Herzen, als er ging.
Fußnoten
1 Das astrale Prinzip (Sinne, Gefühle, Bewusstsein) ernährt sich von der vegetativen ätherischen Energie. Es saugt sie auf, so wie die Biene Nektar saugt oder wie die Flamme das Wachs einer Kerze konsumiert. (Das ist auch beim Menschen so. Die Seelentätigkeit, die Sinne wie auch das Denken und die Fähigkeit innere Bilder, Imaginationen, zu erzeugen, benötigt Energie. Diese Energie holt er sich aus den Körperreserven. Um sich zu erholen und die notwendige Energie wieder aufzutanken, sind die Menschen gezwungen, sich in einen pflanzenähnlichen Bewusstseinszustand zu begeben, nämlich in den Schlaf.)
2 Anticholinerg : hemmt den neuromuskulären Transmitter am Rezeptor. Parasympathikolytisch: bewirkt die Erschlaffung und Entspannung der glattmuskulären Organe.
3 Oft tanzt der Berauschte in diesem Zustand wilde kreisende Tänze.
4 Unter „Gicht“ verstand man damals alle Gliederschmerzen und rheumatischen Beschwerden.
5 Alphawellen sind ruhige, harmonische Hirnströme, die im tiefen Meditationszustand entstehen.
6 Im Riesengebirge galt Rübezahl als Herr der Kräutersammler. Volkskundler vermuten, es war der Genuss der Tollkirsche, der die Kräuterkundigen in die Lage versetzte, mit diesem Wald- und Berggeist in Verbindung zu treten und von ihm das notwendige Kräuterwissen zu erfahren (Duerr 1978: 338).
7 Zombies, lebende Tote, die als Arbeitssklaven gedungen werden, gibt es in Afrika und der Karibik wirklich. Nach Aussage des Afrikanisten Prof. Dr. Rupert Moser (Univ. Bern) gibt es sie noch heute, sie werden aber von Touristen nicht als solche erkannt. Es handelt sich um unverbesserliche Verbrecher, die vom Ältestenrat abgeurteilt wurden und folgende Behandlung erfahren: Durch Vergiftung wird ein Scheintod erzeugt. Sie werden begraben und innerhalb von drei Tagen exhumiert und wiederbelebt. Indem die „Doktoren“ sie kontinuierlich mit Stechapfelsaft behandeln, der ähnliche Tropanalkaloide enthält wie die Tollkirsche, werden sie
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