Mit Pflanzen verbunden
einer uralten Hochkultur, ist Hanf schon seit Jahrtausenden als Teil des religiösen und sozialen Lebens integriert. Traditionell wird er nicht einfach als Genussdroge konsumiert. Für das einfache Volk spielt Bhang – die mit Jogurt und Pfeffer verriebenen und zu Kugeln verrollten Blätter und Blüten – bei jedem „Übergangsritual“, bei Hochzeiten und Bestattungen, eine zeremonielle Rolle. Er erlaubt den Beteiligten während dieser Gelegenheit dem Geistig-Göttlichen näher zu treten. Wandermönche und Bettelheilige dagegen rauchen das getrocknete Hanfkraut (Ganja) jeden Tag zur Stärkung ihrer Meditation und Gottesschau. Sie sagen, es fördert die Erlösung (Moksha) von weltlichen, materiellen Bindungen. Auch Menschen im Ruhestand, deren Kinder die Familiengeschäfte übernommen haben, rauchen Ganja, um sich geistig auf die jenseitige Welt vorzubereiten. Es ist die Pflanze des Loslösens, des Vergeistigens, der Entsagung. Folglich ist es verpönt, wenn Jugendliche zu der heiligen Pflanze greifen, denn sie sollen ja in den sozioökonomischen Prozess, in die Familiengründung und in den Beruf, einsteigen und nicht aussteigen. Der Sinn des Lebens besteht eben nicht nur in der Suche nach Erlösung, sondern auch in Dharma , der Erfüllung der Pflichten gegenüber Familie und Kaste, in Artha, dem Erwerb und der Mehrung weltlicher Reichtümer, und in Kama, dem Genuss jener sinnlichen Freuden, aus denen die nächste Generation hervorgeht (Storl 2003: 15).
Auch bei uns sind Eltern berechtigterweise beunruhigt, wenn ihre Kinder psychoaktive Substanzen gebrauchen. Das verstehe ich gut, da ich selbst Kinder habe. Es ist schwer, zuzusehen, wenn sich Teenager „zombiehaft zudröhnen“.
Warum aber kiffen immer mehr Jugendliche? Selten sieht man junge Leute richtig lachen oder fröhliche Lieder singen. Wie sollte es auch anders sein? Jahrelang sitzen sie in der Schule, abgeschnitten von der Natur, lernen kritisch zu sein, und niemand kann ihnen sagen, warum sie eigentlich hier sind. Irgendwie ergeben Markenkleidung, Single-Charts und Videospiele wenig Lebenssinn. Mit Cannabis kann man sich aus der Misere weg beamen, kann sich ausklinken, sich Freiräume schaffen. Roger Liggenstorfer, der Verleger des Nachtschattenverlags, vermutet, dass vor allem die gelangweilten, verhätschelten Wohlstandskinder, denen echte Lebenserfahrung und Abenteuer abgehen, eine Neigung entwickeln, auf Trips zu gehen, und wenn es nicht mit Cannabis ist, dann mit Alko-Pops (Alkohol). Ich glaube, wenn die Ganztagsschule kommt, wird der Drang, sich auszuklinken, noch größer werden.
Eine richtige Initiation, wie in den Stammesgesellschaften, die den gesellschaftlich sanktionierten Übergang vom Kind zum Erwachsenen markiert, fehlt heutzutage. Militärdienst oder Studium, die einst in unserer Gesellschaft Erwachsenenstatus festigten, haben kaum mehr initiatorische Wirkung. Viele Jugendliche versuchen so etwas wie eine Selbstinitiation mit Hilfe von Psychedelika, Extremsport oder auch mit Reisen in ferne exotische Länder oder einer Pilgerwanderung auf dem Jakobsweg (Siry 2005).
Weil die Frucht des Baumes im Garten Eden verboten war, übte sie auf Adam und Eva eine Faszination aus, der sie nicht widerstehen konnten. Ähnlich anziehend wirken verbotene Substanzen auf Heranwachsende. Fällt die Illegalität weg, dann entfällt auch der Anreiz. In den Niederlanden, wo Cannabis immer mehr als bürgerliche Genussdroge akzeptiert wird, ist der Konsum unter Jugendlichen sogar rückläufig. Die jungen Holländer gebrauchen, im Vergleich zu Jugendlichen in den USA, weniger illegale Drogen und neigen weniger dazu, Kokain und andere harte Drogen zu probieren (Zimmer et al 2004: 71).
Nebenbei bemerkt: Es ist vollkommen unverantwortlich von Medien und Behörden, Cannabis in einem Atemzug mit wirklich gefährlichen, süchtig machenden Substanzen wie Heroin, Morphin oder Kokain zu nennen. Ein Jugendlicher, der – vielleicht unter dem Druck gleichaltriger Gefährten – eine „Tüte“ mitraucht, könnte sich nach dem Konsum sagen: „Cannabis ist ja gar nicht so schlimm, wie die Erzieher behaupten! Da werden die anderen Substanzen wohl auch nicht so schlimm sein!“
Eine Konsequenz des Hanfverbots ist weiterhin, dass die Pflanze vielerorts versteckt, im Keller oder auf dem Dachboden, mit Grow-Lights (künstlicher Beleuchtung) und Nährlösung angebaut wird. Das Saatgut ist oft genmanipuliert oder entstammt hochgezüchteten Sorten, wie zum Beispiel Skunk,
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