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Mit Schimpf und Schande

Mit Schimpf und Schande

Titel: Mit Schimpf und Schande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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bemerkten, wie der Degen lag, und rechts von ihr erklang ein rauhes, ersticktes Keuchen. Sie drehte sich in die Richtung und preßte die Lippen zusammen, als sie einen monströs fettleibigen Mann auf einem Kontragrav-Lebenserhaltungsstuhl erblickte. Das aufgedunsene, teigige Gesicht des Earls von North Hollow war kreidebleich, und in seinen Augen stand der Schock. Neben ihrem Vater saßen die beiden jüngeren Brüder Youngs, und ihre Gesichter waren fast so bleich wie das seine. Irgendwo tief in Honor erhob sich eine Stimme und forderte, sie möge für North Hollow Mitleid empfinden, denn so verachtenswert Young auch sei, er sei noch immer der Sohn des Earls. Aber sie vermochte es nicht. Und noch schlimmer, sie wollte es nicht einmal.
    Wieder machte sich Unruhe breit, und dann erklang das scharfe, musikalische Läuten der Glocke, als White Haven mit dem Hämmerchen dagegenschlug.
    »Die Verhandlung wird fortgesetzt«, verkündete der Admiral und nickte den Marineinfanteristen zu, welche die Seitentür flankierten. Einer von ihnen verschwand hinter der Tür, und jede einzelne Person im Gerichtssaal hielt den Atem an. Dann wurde die Tür wieder geöffnet, und, begleitet von seinen Wächtern, marschierte Pavel Young hindurch.
    In Youngs bärtigem Gesicht arbeitete es. Ganz offensichtlich kämpfte er darum, es ausdruckslos zu halten, aber seine Wangen zuckten, und die Stirn glänzte vor Schweiß. Für sie selbst war das Warten furchtbar gewesen, begriff Honor; für ihn mußte es den Vorgeschmack auf die Hölle bedeutet haben. Sie war schockiert, wie sehr sie ihm das gönnte – welche Freude sie darüber empfand.
    Young beachtete sie nicht. Seine Augen blickten starr geradeaus, als wollte er auf diese Weise das Unausweichliche noch um einige Sekunden mehr hinauszögern. Doch dann erreichte er den Tisch der Verteidigung und wandte sich den Richtern zu, und nun war es vorbei mit dem Hinauszögern. Sein Blick fiel auf den Degen, und ihm blieb das Herz stehen.
    Die Spitze zeigte auf ihn. Die Spitze zeigte auf ihn, und eine Welle des Schreckens überkam ihn, als dieses einzige, schreckliche Faktum zu ihm durchdrang.
    Er spürte, daß er zitterte, und versuchte, damit aufzuhören, aber das gelang ihm nicht. Ebensowenig konnte er verhindern, daß er den Kopf drehte und über die Schulter nach hinten sah, zu seinem Vater. Ihre Blicke trafen sich, Youngs bittend und panikerfüllt, furchterfüllt und wütend vor der Machtlosigkeit seines Vaters. Wie ein Dolch stach der Schrecken ihm in die Eingeweide. Er löste den Blick, und nicht einmal der Haß beim Anblick seines ehemaligen Ersten Offiziers, der neben Harrington saß und ihr die Hand hielt – dem Miststück die Hand hielt! –, konnte das Eis durchdringen, das seine Seele eingeschlossen hatte.
    »Der Angeklagte möge sich dem Gericht zuwenden.«
    White Havens kühle Stimme durchschnitt die Stille, und in unbewußtem, mechanischem Reflex kehrte Young ihm abrupt den Kopf zu. Er schluckte und versuchte, nicht vor verzweifelter Betäubung zu schwanken. White Haven räusperte sich.
    »Captain Lord Young, das Kriegsgericht hat über die Punkte der Anklage, welche Ihnen zur Last gelegt werden, beschieden. Sind Sie bereit, sein Urteil zu hören?«
    Young schluckte noch einmal und ein drittes Mal in dem vergeblichen Versuch, seinen staubtrockenen Mund zu befeuchten, während ihm die in die Länge gezogene, förmliche Pein an den Nerven zerrte. Wie eine exquisite Folter, in der er gefangen war. Ein letztes Aufflackern von Stolz verlieh ihm Stärke zu antworten.
    »Ja.« Heiser, aber deutlich brachte er das Wort hervor, und White Haven nickte.
    »Nun gut. Des ersten Anklagepunktes, daß Sie den Kriegsartikel dreiundzwanzig verletzt hätten, befindet das Gericht Sie mit vier zu zwo Stimmen für schuldig.« Hinter Young stöhnte jemand – er glaubte, sein Vater –, und er verkrampfte die Hände an seiner Seite, während White Havens Stimme fortfuhr, tief und so leidenschaftslos wie das Jüngste Gericht.
    »Des zwoten Anklagepunktes, daß Sie den Kriegsartikel sechsundzwanzig verletzt hätten, befindet das Gericht Sie mit vier zu zwo Stimmen für schuldig.
    Des dritten Anklagepunktes, daß Sie die Intaktheit des Raketenabwehrnetzes von Kampfgruppe Hancock-Null-Null-Eins durch den Rückzug der Einheiten unter Ihrem Kommando gebrochen hätten, daß dadurch andere Einheiten der Kampfgruppe dem vereinten gegnerischen Beschuß entblößt wurden und infolge Ihrer Führung ernsthafte

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