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Mit Sherlock Holmes durch Raum und Zeit 1

Mit Sherlock Holmes durch Raum und Zeit 1

Titel: Mit Sherlock Holmes durch Raum und Zeit 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isaac Asimov
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Geschehnisse sind also auf die Anwendung eines Giftstoffes zurückzuführen, der durch Verbrennung wirksam wurde.
    Mit derlei Überlegungen in meinem Kopf suchte ich natürlich Mortimer Tregennis’ Zimmer nach den Überbleibseln einer solchen Substanz ab, wobei mein Blick magnetisch von der Lampe angezogen wurde. Und tatsächlich entdeckte ich an ihrem Rauchschutz, dem Talkschirm, eine Anzahl flockiger Ascheteilchen und um die Kante einen Rand von bräunlichem Pulver, das noch nicht von der Flamme verzehrt worden war. Die Hälfte davon nahm ich, wie du gesehen hast, und schüttete sie in einen Umschlag.«
    »Warum die Hälfte, Holmes?«
    »Weil es durchaus nicht meine Absicht ist, der öffentlichen Polizeigewalt im Wege zu stehen. Ich ließ ihnen alle Beweisstücke da, die ich selbst gefunden hatte. Es haftet noch Gift an dem Schirm, sie mußten nur klug genug sein, hinzugucken. Und jetzt, Watson, wollen wir unsere Lampe hier anzünden. Wir müssen nur die Vorsichtsmaßregel treffen, unser Fenster zu öffnen, um das vorzeitige Abscheiden zweier verdienstvoller Mitglieder der menschlichen Gesellschaft zu vermeiden. Setz du dich dort auf den Sessel in der Nähe des Fensters! Es sei denn, du willst als verständiger Mensch mit solchen Sachen nichts zu tun haben… Doch, du möchtest sie mit mir durchfechten, wirklich? Na gut, ich kenne doch meinen Watson. Diesen Stuhl hier stelle ich dem deinen gegenüber, so daß wir beide gleich weit von dem Teufelsspuk entfernt sind. Die Tür lassen wir lieber einen Spalt offen, so… Jeder ist nun in der Lage, den anderen zu beobachten und den Versuch abzustoppen, sobald die Symptome bedenklich werden. Haben wir uns verstanden? Gut denn, ich nehme unser Pulver – oder was davon noch übrig ist – aus dem Umschlag und lege es auf die brennende Lampe… Jetzt, Watson, wollen wir uns setzen und der Entwicklung entgegensehen.«
    Dazu blieb uns kaum Zeit. Ich hatte mich eben in meinen Sessel niedergelassen, als ich mir auch schon eines schweren und Übelkeit erregenden, moschusartigen Geruches bewußt wurde. Er wehte mich nur an, und mein Geist, meine gesamte Phantasie war bereits jenseits jeglicher Kontrolle. Eine dicke, schwarze Wolke wirbelte vor meinen Augen, und in ihr, so sagte mir mein aufgepeitschter Verstand, lauerte, wenn auch bisher noch ungesehen, alles Furchtbare, Ungeheuerliche und unbeschreiblich Ekelhafte des Universums, um jeden Augenblick über meine schreckenstarren Sinne herzufallen. Grausige Gebilde tanzten und schwammen in der dunklen Nebelschicht umher, jedes eine Drohung oder Warnung vor kommendem Unheil, dessen Schatten allein schon meine Seele zermalmen würde. Eisiger Schauder nahm von mir Besitz. Ich fühlte, wie sich mein Haar sträubte, die Augen mir aus dem Kopf traten und mein Mund sich öffnete, darin die Zunge wie Leder war. Der Aufruhr in meinem Gehirn tobte derartig, daß etwas darin überschnappen mußte. Ich versuchte zu schreien, aber es entrang sich mir nur ein unbestimmtes, heiseres Krächzen. Und diese meine eigene Stimme hörte sich fern und wie abgetrennt von meinem Selbst an. Im gleichen Augenblick durchbrach ich mit qualvoller Anstrengung die Wolke der Finsternis und nahm dahinter flüchtig Holmes’ Gesicht wahr, weiß, starr und von Entsetzen verzerrt – der nämliche Ausdruck wie in den Zügen der Toten. Diese Vision jedoch verlieh mir für Sekunden Gesundheit und Stärke. Ich fuhr in meinem Stuhl hoch, warf die Arme um meinen Freund, und so vereint taumelten wir zur Tür. Einen Augenblick später hatten wir uns ins Gras geworfen. Dort lagen wir Seite an Seite und spürten, wie sich der herrliche Sonnenschein Bahn brach durch diesen höllischen Schreckensdunst, der uns noch umklammerte. Allmählich hob er sich von unserer Brust, wie Nebel über einer Landschaft, bis Friede und Vernunft zurückkehrten. Wir setzten uns auf und wischten uns den Schweiß von der Stirn. Dann sah einer den andern voller Furcht an, um die letzten Spuren unseres gräßlichen Erlebnisses zu beobachten.
    »Auf mein Wort, Watson«, brachte Holmes schließlich mit unsicherer Stimme hervor. »Ich schulde dir beides, meinen Dank sowohl als meine Entschuldigung. Schon am eigenen Leibe war dies ein unverantwortliches Experiment, wie erst an einem Freund! Es tut mir wirklich sehr leid.«
    »Du weißt«, antwortete ich bewegt, »daß es meine größte Freude und mein Vorrecht ist, dir zu helfen.«
    Aber schon kam sein humoristisch-zynisches Wesen wieder zum Vorschein.

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