Mit Sherlock Holmes durch Raum und Zeit 1
zertrümmert.
Er schob die Hände durch die Öffnung, drehte den Schlüssel im Schloß herum und öffnete den Riegel unten an der Tür. Dieser war von einem Polizisten zugeschoben worden, der das Haus danach durch die Küchentür verlassen hatte – vermuteten wir zumindest. Wir gingen durch die Tür, schlossen sie hinter uns und versicherten uns, daß alle Vorhänge des Vorderraumes zugezogen waren. Dann zündete Raffles in dieser lange vergangenen, bösen Nacht ein Streichholz an, und damit eine Gaslampe. Die flackernde Illumination zeigte uns einen kaum veränderten Raum. Mr. Phillimore war nicht an einem neuen Anstrich interessiert gewesen. Wir gingen in die Halle hinaus und die Treppe hinauf, wo sich vom Gang im ersten Stock drei Türen öffneten.
Die erste Tür führte zum Schlafzimmer. Es enthielt ein großes, mit einem Baldachin überdachtes Bett, ein Ungetüm der Jahrhundertmitte, das Baird aus zweiter Hand in irgendeinem Laden im East End gekauft hatte; eine billige, hochbeinige Ahornkommode, einen Schaukelstuhl, einen Nachttopf und zwei übergroße Lederarmsessel.
»Als wir das letzte Mal hier waren, befand sich hier nur ein Armstuhl«, sagte Raffles.
Der zweite Raum war unverändert und so leer wie beim ersten Mal, da wir ihn gesehen hatten. Der Hinterraum war das Badezimmer, in dem sich ebenfalls nichts verändert hatte.
Wir gingen die Treppe hinab und durch den Gang zur Küche, und dann stiegen wir in den Kohlenkeller hinab. Dieser enthielt auch einen kleinen Weinvorrat. Wie ich erwartet hatte, fanden wir nichts. Schließlich waren die Männer vom Yard gründlich, und was sie womöglich übersehen hatten, hätte Holmes bestimmt entdeckt. Ich wollte Raffles vorschlagen, unsere Niederlage einzugestehen und lieber zu gehen, bevor jemand das Licht im Haus sah, doch ein Geräusch von oben ließ mich innehalten.
Raffles hatte es auch gehört. Seinen Ohren entgeht kaum etwas. Er hob eine Hand, um Schweigen zu gebieten, obwohl diese Geste überflüssig war. »Leise, Bunny«, sagte er einen Augenblick später. »Es könnte ein Polizist sein. Doch ich glaube eher, daß es unser Opfer ist!«
Wir stahlen uns die hölzerne Treppe hinauf, die unter unserem Gewicht beharrlich knarrte. Dann schlichen wir in die Küche und von dort aus auf den Gang und in den Vorderraum. Da wir niemanden sahen, stiegen wir erneut die Treppe zum ersten Stockwerk hinauf, öffneten vorsichtig die Tür eines jeden Raumes und spähten hinein.
Als wir die Köpfe in das Badezimmer steckten, hörten wir das Geräusch erneut. Es kam irgendwo aus dem Vorderteil des Hauses, doch ob von oben oder unten, konnten wir nicht sagen.
Raffles gab mir ein Zeichen, und ich folgte ihm, ebenfalls auf den Zehenspitzen, den Gang entlang. Er blieb vor der Tür des mittleren Raumes stehen, sah hinein und führte mich dann zur Tür zum Schlafzimmer. Als er hineinsah (vergessen Sie nicht, wir hatten die Gaslampen noch nicht gelöscht), fuhr er zusammen. »Großer Gott!« sagte er. »Einer der Armstühle! Er ist verschwunden!«
»Aber… aber… Wer würde schon einen Stuhl stehlen?« sagte ich.
»Ja, wer!« sagte er und lief die Stufen hinab, ohne darauf zu achten, möglichst wenig Lärm zu verursachen. Ich nahm all meinen Mut soweit zusammen, daß ich meinen Beinen befehlen konnte, sich zu bewegen. Gerade, als ich die Tür erreichte, hörte ich, wie Raffles draußen rief: »Dort ist er!« Ich lief auf die kleine umzäunte Veranda hinaus. Raffles hatte bereits die Hälfte des Kiesweges hinter sich gelassen, und eine düstere Gestalt stürzte durch das offene Tor. Wer immer sie auch war, sie hatte einen Schlüssel zum Tor.
Ich erinnere mich, daß ich – eigentlich nebensächlich – dachte, wie kühl in der kurzen Zeit, die wir im Hause gewesen waren, die Luft geworden war. In Wirklichkeit war dieser Gedanke jedoch nicht so nebensächlich, da das Auftreten der kühlen Luft einen schweren Nebel verursacht hatte. Er hing über der Straße und wallte durch den Wald. Und er half natürlich dem Mann, den wir verfolgten.
Raffles war so eifrig bei der Sache wie ein Geldverleiher, der einen Schuldner verfolgt, und hielt seine Blicke auf der undeutlichen Gestalt, bis sie in eine Waldung stürzte. Als ich schwer atmend auf der anderen Seite herauskam, fand ich Raffles, der am Rand eines schmalen, aber ziemlich tief eingegrabenen Baches stand. In der Nähe, halb vom Nebel verhüllt, befand sich ein kurzer, schmaler Steg. An dem Weg, der am anderen Ende der
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