Mit Sherlock Holmes durch Raum und Zeit 1
Sache, dieser Sturm, doch er hatte ein großes Schiff, wie es sich geziemte, eine große Prau Mayang, eine Art Handelsschiff dieser Gewässer. Keine Maschine, natürlich, aber ein robustes Schiff, sechzig Fuß lang, durchaus imstande, mit jedem örtlichen Wetter fertig zu werden, abgesehen von einem echten Taifun, worum es sich aber nicht handelte. Gemeinsam verschalkten sie das Schiff, um dem Sturm standzuhalten. Sie hatten keine Probleme.
Und der nächste Morgen war wieder ruhig und klar. Und zur Leeseite, in Sichtweite der grünen Küste Westsumatras, lag ein Wrack. Kein großes, lediglich die Trümmer einer anderen Prau, einer Prau Bedang, einem leichten Boot, das in dieser Gegend zum Fischen, Schmuggeln und was immer man will eingesetzt wird. Normalerweise hätte dieses viel kleinere Schiff zwei angepaßte Lateinsegel getragen, oder wie immer die örtliche Variante heißt, doch nun waren beide Masten verschwunden, über Deck abgebrochen, offensichtlich vom Sturm der vergangenen Nacht. Der zerbrechliche Hulk rollte in der tiefen, milchigen Dünung, die den einzigen Hinweis auf den vorbeigezogenen Sturm darstellte.
Das Schiff meines Vaters hielt auf ihn zu. Er hatte keine Befehle gegeben, doch ein Schiff, das in diesen Gewässern gestrandet war, war für jeden eine leichte Beute. Gelegentlich wurden die glücklosen Seeleute sogar gerettet. Dad stand in seiner weißen Kleidung auf dem Achterdeck, und dies genügte durchaus, zu gewährleisten, daß keine Kehlen durchgeschnitten wurden. Alles andere zu verbieten, wäre töricht gewesen. Neben ihm stand sein persönlicher Diener, der alte Umpa. Letzterer war ein abtrünniger Moro von den Zulus, doch ein wunderbarer Mensch. Er war wenigstens sechzig, doch so schlank und drahtig wie ein Junge. Was auch immer mein Vater tat, war seiner Meinung zufolge richtig, und alles, was andere taten, war falsch, zumindest, solange mein Vater damit nicht einverstanden war.
Zu seiner Überraschung hob sich, als sich das größere Schiff näherte und quer zur Leeseite legte, eine Hand. So mitgenommen das kleine Schiff auch anmutete, jemand an Bord hatte überlebt. Dads Schiff ließ ein Ruderboot hinab, und bald schon wurde dem einzigen Überlebenden des Wracks auf das Achterdeck geholfen, und Dad konnte ihn mustern. Zu seiner weiteren Überraschung stand ihm kein sundanesischer Fischer gegenüber, sondern ein Weißer.
Der Mann war durchaus vernünftig gekleidet, in Tropenweiß, und trug sogar noch die Überreste eines Zellhornkragens. Abgesehen vom offensichtlichen Wüten der See war klar, daß eine geraume Weile verstrichen sein mußte, seit der andere zum letzten Mal die Annehmlichkeiten der Zivilisation genossen hatte. Seine nun verblichenen weißen Hosen waren an den Knien zerrissen, bös mit grünem Schleim überzogen und an den verschiedensten Stellen geplatzt. Seine Schuhe befanden sich in ähnlich schlimmem Zustand, fast ohne Sohlen. Und doch verbreitete der Mann eine gewisse Aura. Er war groß und jung und hatte blasse, adlerähnliche Gesichtszüge mit einer Hakennase. Trotz der Fetzen, die er am Leibe trug, hatte er seine Körperpflege nicht vernachlässigt. Sein Bart war höchstens einen oder zwei Tage alt.
›Captain Ffellowes, zweites Rajput-Regiment, sehr zu Ihren Diensten‹, sagte mein Vater, als dieses seltsame Stück menschlichen Treibguts ihn anstarrte. ›Kann ich Ihnen irgendwie zu Diensten sein?‹
Die Antwort war eigenartig. ›Noch nie, Sir, habe ich bei einem Auftrag versagt. Mir würde es nicht behagen, wenn dies das erste Mal wäre. Mit Ihrer Erlaubnis gehen wir unter Deck.‹ Mit diesen Worten fiel diese Waise des Sturms der Länge nach zu Boden, so schnell, daß nicht einmal mein Vater oder der Kapitän des Schiffes ihn ergreifen konnten, als er stürzte.
Sie bückten sich jedoch sofort, als der Mann fiel. Als mein Vater die Hand ausstreckte, um seinen Kopf zu stützen, öffneten sich die grauen Augen.
›Was es auch kostet, halten Sie nach Matilda Briggs Ausschau‹, sagte der Unbekannte leise und mit fast gleichmäßiger Stimme. Die Lider schlossen sich, und der Mann glitt in völlige und tiefe Bewußtlosigkeit. Meinem Vater wurde klar, daß er sich nur durch eine gewaltige Willensanstrengung bei Bewußtsein gehalten hatte. Dieser letzte Unsinn war besonders obskur. Wer, zum Teufel, war Matilda Briggs, und warum sollte man nach ihr suchen? Als sie den Mann unter Deck in die Kabine meines Vaters trugen, war er zur Ansicht gelangt, daß der Bursche
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