Mit Sherlock Holmes durch Raum und Zeit 1
Dunkelheit nur undeutlich wahr.
Schließlich verklangen die Geräusche aus dem Erdgeschoß des Hauses. Stille umschloß sie, ihre Gesichter kühlten sich ab, ihre fiebrigen Augen beruhigten sich.
Der Junge horchte auf und sagte dann: »Es ist geschafft. Du weißt, was nun zu tun ist, nicht wahr?«
»Ja«, sagte das Mädchen. Es entzog ihm die Hand, strich sich das Haar aus dem Gesicht und schloß die Augen. Es lächelte und dachte an einen Garten voller Blumen. In der Mitte des Gartens befand sich ein Tisch, und darauf standen Porzellanteller. Jeder Teller enthielt einen Regenbogen aus Eistorten. Ein Stück war pinkfarben, eins gelb und ein anderes dick mit Schokolade überzogen. Bei dem Gedanken, wie süß sie schmecken würden, fuhr sie sich mit der Zunge über die Lippen.
Der Junge dachte an Schiffe – große Schiffe mit weißen Segeln – und ließ sie über das blaugrüne Meer schaukeln. Wellen schäumten über Deck, und die Matrosen rutschten aus und lachten, während über ihren Köpfen die Möwen durch den Himmel kreischten, deren Flügel in der Sonne aufblitzten.
Zur verabredeten Zeit, gerade, als die Fenster sich erhellten, verließen die Kinder die Betten und gingen die Treppe hinunter.
Im Haus war es sehr kalt. Die Schatten wurden allmählich grau, und im Zimmer neben der Küche war das Feuer erloschen, die Kohle zu feiner Asche zerfallen.
Die Mutter lag in einer Zimmerecke neben der Außenwand. Der Vater befand sich ein paar Schritte entfernt. Er hielt noch den Feuerhaken in der Hand.
Der Junge ließ den Blick schnell durch den Raum gleiten. »Ich werde das Buch finden«, sagte er. »Du öffnest die Terrassentür.«
»Warum gerade die?«
Der Junge sah sie strafend an. »Weil sie es ist, deren Riegel locker ist. Es muß doch irgendwie hereinkommen, nicht wahr?«
Das Mädchen wandte sich um, schaute jedoch dann noch einmal zurück. »Dann können wir frühstücken?« fragte es.
Der Junge sah sich schon im Zimmer um, schaute unter den Tisch und stöberte unter der Couch. »Dafür haben wir keine Zeit«, sagte er.
»Aber ich bin hungrig!«
»Mir egal«, sagte der Junge. »Heute kommt die Reinemachefrau, und wir müssen schlafen, wenn sie da ist. Wir essen später.«
»Vielleicht Pfannkuchen? Mit Sirup?«
Der Junge sah sie nicht an. »Vielleicht«, sagte er. »Und jetzt öffne die Tür, wie ich es dir gesagt habe.«
Das Mädchen streckte ihm die Zunge hinaus. »Ich wünschte, ich wäre die Ältere«, sagte es.
»Gut, du bist es aber nicht«, sagte der Junge, drehte sich um und starrte sie an. »Nun geh schon und tue, was ich dir gesagt habe.«
Das Mädchen warf mit einer trotzigen Geste das Haar zurück und verließ das Zimmer, ohne sich zu beeilen. Dabei summte es im Flur eine kleine Melodie, um ihn zu ärgern.
Der Junge bemerkte es nicht. Er machte sich allmählich Sorgen. Wo konnte das Buch wohl sein? Auf dem Tisch war es nicht. Und es konnte eigentlich nur in diesem Zimmer sein. Dann sah er es, auf dem Boden unter der zertrümmerten Lampe.
Er lief darauf zu, und seine Hände zitterten, als er es aufhob und die Glasscherben beiseite wischte. Er untersuchte es vorsichtig, schlug die Seiten um, fuhr mit den Fingern über den glatten Einband, die aufgedruckten Buchstaben des Titels. Dann lächelte er. Es war in Ordnung. Es befanden sich nicht einmal Blutspritzer darauf.
Er schloß das Buch und drückte es fest an seine Brust. Eine große Freude ergriff ihn. Es war eine seiner Lieblingsgeschichten. Sehr bald schon, nahm er sich vor, würde er noch einmal Der Hund von Baskerville lesen.
Jeder gute Baker Street Irregular weiß, daß Sherlock Holmes einst behauptete, seine Großmutter sei die Schwester eines französischen Malers namens Vernet gewesen – nicht Verner. Er weiß auch, daß sich Holmes an einer Stelle seiner Erzählungen auf den Fall der »Riesenratte von Sumatra« bezieht, für den die Welt seiner Meinung nach noch nicht bereit war.
Und nun lesen Sie die folgende Geschichte.
STERLING E. LANIER
Die Geschichte eines Vaters
»Sie scheinen die Tropen sehr zu mögen, Sir«, sagte ein jüngeres Mitglied. Es war einer der langweiligen Sommerabende im Club. Der Gestank draußen in New York City war unglaublich. Auf den Bürgersteigen sammelte sich die Hitze und hing in der Luft. Manhattan war trotz der Behauptungen seines Bürgermeisters kaum ein Ort, an dem man den Sommer verbringen konnte. Es war einfach New York. Die Stadt, ein Ort, in dem man arbeiten mußte und
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