Mit Sherlock Holmes durch Raum und Zeit 2
gemacht. Ein Verbrecher macht immer einen Fehler, Westing.«
»Sie haben die Sprachzentren in die Farbkodierung eingebaut?«
»Genau. Ich bin stolz auf Sie.«
Ich war so erfreut, daß ich aufsprang und einen Augenblick lang fieberhaft auf und ab schritt. Der Triumph der Gerechtigkeit – der Verdruß der kriminellen Hersteller! Der Ruhm, der Street und – zu einem gewissen Anteil auch mir, als seinem Freund – gehören würde! Schließlich kam mir mit der Klarheit eines Glockenspiels ein neuer Gedanke.
»Street…« sagte ich.
»Sie sehen aus, als habe man Sie aus der Fassung gebracht, Westing.«
»Sie haben der Gesellschaft einen großen Dienst erwiesen.«
»Ich weiß – und das Honorar wird sehr gelegen kommen. In einem Trödelladen an der 444. Straße steht ein Eisenkran aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert, nach dem es mich schon eine geraume Weile gelüstet. Man muß ein wenig daran arbeiten – die Nagelklauen greifen nicht – doch ich denke, ich bekomme das hin.«
»Street, es könnte möglich sein… Amtsleiter Electric hat großen Einfluß…«
»Wovon schwatzen Sie, Westing?«
»Es könnte möglich sein, daß Sie reklassiert werden. Daß Ihr Geburtsrecht wieder eingesetzt wird.«
»Wollen Sie damit andeuten, Westing, daß Sie glauben, ich sei wegen krimineller Aktivitäten deklassiert worden?«
»Aber alle Menschen werden doch klassiert geboren – und Sie sind nicht alt genug, um den Tod abgelehnt zu haben.«
»Glauben Sie mir, Westing, mein Einkommen ist noch vorhanden, und ich bekomme es noch – auf gewisse Art und Weise. Ihnen als Biomechaniker müßte doch ein Licht aufgehen.«
»Sie meinen…«
»Ja. Ich hatte ein Kind durch asexuelle Reproduktion. Ein Kind, das genau nach meinem genetischen Aufbau geschaffen ist – ein zweites Ich. Wie Sie zweifellos wissen, verlangt das Gesetz in diesem Fall, daß mein Einkommen an das Kind geht. Es muß aufgezogen und ausgebildet werden.«
»Sie hätten heiraten können.«
»Ich ziehe es vor, ein Heim zu haben. Und kein Mann hat ein Heim, wenn er nicht Herr eines Ortes ist, wo er keinem zu Gefallen sein muß – ein Ort, an den er sich zurückziehen und hinter sich die Türe abschließen kann.«
Das war es, was ich befürchtet hatte. »In diesem Fall«, sagte ich, »wollen Sie sicher nicht – ich meine, mit dem Geld, das Sie von Electric bekommen, brauchen Sie diese Wohnung nicht mehr zu teilen. Ich würde Sie wirklich verstehen, Street, wirklich.«
»Sie, Westing?« Street lachte. »Sie sind nicht mehr im Weg als ein Kühlschrank.«
Hier gesellen sich weitere Helden, der Literatur zu Sherlock Holmes, in der Organisation Personal-Union der Liga der Profihelden, deren Akronym übrigens »Pulp« ergibt, die Bezeichnung für das billige, stark holzhaltige Papier, auf dem die Magazine gedruckt werden, in denen die obigen Helden ihre Abenteuer erleben. Seltsamerweise ist hier Watson – der vernachlässigte und oft verächtlich belächelte Watson – der Held.
RICHARD LUPOFF (als Ova Hamlet)
Der Gott des Nackten Einhorns
I
Es war ein frostiger Winterabend, und das Geräusch der klingelnden Kutschglocken, die am Geschirr der Zugpferde hingen, durchdrangen sowohl den wirbelnden gelben Nebel von Limehouse, wo die Themse sich plötzlich seitwärts wendet und Strudel bildet und dunkle Laskar-Gestalten durch die in Schatten liegenden Gassen huschen, wie auch das uralte verzogene Glas der Fensterscheiben meiner bescheidenen Wohnung, das selbst einen traurigen alten Mann daran erinnerte, daß es noch genug Zecher in der Stadt gab, die den freudigen Feiertag der Geburt Christi erwarteten.
Meine Erinnerungen glitten zurück zu früheren und fröhlicheren Tagen; Tagen, die ich in meiner Jugend unter den wilden Stammeskriegern des barbarischen Afghanistan verbracht hatte, bevor eine Musketenkugel meine Karriere in den Diensten Ihrer Majestät beendete, mich nach Hause schickte und letztendlich wieder eine bürgerliche Existenz aufnehmen ließ. Zuhause in London hatte ich versucht, meine bescheidenen Bedürfnisse zu befriedigen, indem ich eine Praxis in der Harley Street eröffnete, doch dann war ich gezwungen gewesen, mir eine Unterkunft mit einer anderen Person meiner Klasse und meines Standes zu teilen, wenn ich mit meinen Mitteln auskommen wollte.
Das war der Anfang meiner langen und glücklichen Verbindung mit dem besten konsultierenden Detektiv unserer Zeit – und vielleicht aller Zeiten – gewesen. Als überzeugter
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