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Mit Sherlock Holmes durch Raum und Zeit 2

Mit Sherlock Holmes durch Raum und Zeit 2

Titel: Mit Sherlock Holmes durch Raum und Zeit 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isaac Asimov
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Hudson; oder vielleicht die große, schwermütige Gestalt meines Gefährten selbst! Doch ich hatte mich kaum aus den Polstern meines schäbigen, doch bequemen Armstuhls erhoben, als die Wirklichkeit meinem Bewußtsein einen Schlag versetzte und ich begriff, daß keiner von ihnen mein neues Domizil kannte. Weit wahrscheinlicher würde sich mein Besucher als ein finsterer Bewohner von Limehouse entpuppen, der den Mut des neuen Mieters einer Prüfung unterziehen wollte!
    Ich zog den kleinen, aber wirksamen Revolver aus seinem Versteck zwischen meinen Besitztümern und ließ ihn in die Tasche des Morgenmantels gleiten, den ich trug. Dann näherte ich mich vorsichtig der Wohnungstür und zog den Riegel zurück. Laut über diese auferlegte Last ihrer selten benutzen Scharniere protestierend, schwang die Tür auf, bis sie in der Öffnung zum Gang die eine Person auf der Erde enthüllte, von der ich am wenigsten erwartet hatte, daß sie meinen neuen Aufenthaltsort ermitteln würde – oder auch nur einen Grund gehabt hätte, mich hier aufzusuchen.
    Ich konnte kaum glauben, was meine eigenen Augen mir bestätigten! Wir müssen volle fünfzehn Sekunden schweigend und wie erstarrt dagestanden haben – ich die Augen weit aufgerissen (und den Mund, da bin ich mir sicher, erstaunt aufklappend). Ich war mir plötzlich und unangenehm der bescheidenen Umgebung bewußt, in der mein Besuch mich angetroffen hatte, und der Schäbigkeit, von der ich fürchte, sie habe auch meine Person befallen. Mein Haar, einst von dichtem Braun, war in den vergangenen Jahren grau und ungepflegt geworden. Mein Bart war gelb vom Nikotin und befleckt von Wein und Port. Mein Morgenmantel war fadenscheinig und mit den Resten vieler einsamer Mahlzeiten befleckt.
    Wohingegen meine Besucherin so atemberaubend wirkte wie keine andere Frau, die ich je gesehen habe: eher stattlich als schön, hatte sie die Jahre, die seit unserer letzten Begegnung vergangen waren, mit jener Grazie und Unerschütterlichkeit getragen, die sie schon in der Zeit ihrer Karriere als berühmteste Bühnenschönheit der Welt ausgezeichnet hatte, und in einer anderen als die Frau, für die ein Thron aufs Spiel gesetzt – und gerettet worden war!
    »Darf ich eintreten?« fragte Die Frau.
    Buchstäblich bis an die Haarwurzeln errötend, trat ich zurück und deutete an, daß sie nicht nur eintreten dürfe, sondern auch ein willkommener und hochgeehrter Gast sei. »Ich muß mich für mein tölpelhaftes Benehmen entschuldigen«, sagte ich. »Können Sie mir vergeben, Miß… Ich sollte sagen, Madame… Eure Hoheit…« Ich hielt inne, unsicher, wie ich meinen vornehmen Gast anzusprechen hatte.
    Doch während ich noch vor mich hin stotterte und errötete, konnte ich die Augen nicht von der Gestalt dieser Frau wenden.
    Sie war so groß, wie ich sie noch in Erinnerung hatte, eine Handspanne größer als ich, fast so groß wie mein ehemaliger Gefährte. Ihr Haar, auf ihrem großartigen Kopf in der europäischen Mode dieser Zeit hochgesteckt, war von kohlrabenschwarzem Glanz, der das Licht meiner flackernden Kerosinlampe mit jeder Bewegung der Flamme zurückzuwerfen schien. Ihre Gesichtszüge waren perfekt, so perfekt, wie ich mich aufgrund unserer ersten Begegnung viele Jahre zuvor daran erinnerte, und ihre Figur, soweit sie von der eng ansitzenden Mode unserer Zeit enthüllt wurde, die sie mit der Selbstsicherheit einer Frau trug, die sich schon lange der Aufmerksamkeit der besten Schneider und Couturiers des Kontinentes gewiß ist, war so grazil und ansprechend wie die eines Schulmädchens.
    Sie hatte mittlerweile meine bescheidenen Räume betreten, und als ich den Gang hinter ihr überprüfte, um mich zu vergewissern, daß kein Wegelagerer in der muffigen Dunkelheit lauerte, machte sie es sich ohne Aufforderung auf dem geradlehnigen Holzstuhl bequem, den zu benutzen ich beabsichtigte, wenn ich die Feder schwang, um den bescheidenen Übungen der literarischen Ausschmückung nachzugehen, derentwegen mein Gefährte mich so oft getadelt hatte.
    Ich drehte mich um, blickte zu meinem Gast nieder und nahm dann so nah neben ihrer magnetischen Gestalt Platz, wie der Anstand es duldete. Auf diese kürzere Entfernung erkannte ich, daß ihre zuversichtliche Haltung nicht von einer gewissen Nervosität oder einem gewissen Unbehagen frei war. Ich versuchte, Die Frau ermutigend anzulächeln, und sie reagierte, wie ich es gehofft hatte, ihre Stimme so kultiviert wie immer, um die Anstrengung zu verbergen, mit

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