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Mit sich selbst befreundet sein

Mit sich selbst befreundet sein

Titel: Mit sich selbst befreundet sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schmid
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sich im Zwerchfell, phrēn , begegnen. Ein erneuertes Verständnis könnte die Klugheit mit der Kooperation zweier spezifischer Hirnareale in Verbindung bringen: Da ist einerseits Amygdala , ein doppelt vorhandenes mandelförmiges Gebilde unterhalb der Großhirnrinde (subkortikal), etwa in der Kopfmitte, mit der Funktion eines Gefühlszentrums, in dem Informationen »emotional eingefärbt«, somit fühlbar und erlebbar werden, Aufmerksamkeit erregen und Reaktionen ermöglichen. Ein Vorhaben und seine Ausführungwerden hier insbesondere nach Kriterien von Angst und Furcht »bewertet«; die Einschätzung, ob etwas oder jemand dem Selbst zuträglich ist oder nicht, beruht hierauf. Doppelseitige Schädigungen der Amygdala aber haben eine »affektive Unausgewogenheit« zur Folge. Eine enge Abstimmung mit Amygdala wiederum ist lokalisierbar im Stirnhirn (den kortikalen Schaltkreisen des bewussten Denkens zugehörig), insbesondere im orbitofrontalen Bereich des präfrontalen Kortex , der für das erweiterte Bewusstsein von größter Bedeutung ist: Hier wird die Geschichte des Selbst aufbewahrt, hier werden detaillierte zeitliche und räumliche Zusammenhänge gespeichert, soziale Zusammenhänge berücksichtigt und strategische Konzepte gemacht. Klugheitsabwägungen finden wohl vorzugsweise hier statt, Informationen der Gefühle fließen dabei mit ein, werden von hier aus jedoch auch gehemmt, um Affekte, Leidenschaften, Aggressionen nicht beliebig auszuleben, sondern Gründe zu prüfen und mögliche Konsequenzen zu bedenken. Ein evolutionärer Grund für die Entstehung des nüchternen Denkens könnte die Mäßigung überbordender Gefühle gewesen sein. Aber das Tückische der Gefühle liegt auch darin, nicht allein von einer Wirklichkeit, sondern ebenso von der Vorstellung einer Wirklichkeit ausgelöst zu werden, die eine Chimäre sein kann.
    Das integrale Selbst ist, um operieren zu können, auf diese Struktur angewiesen, in der die Fähigkeit zur Abwägung, zur Zusammenfassung des Denkens und Fühlens beheimatet ist. Als derjenige Teil des Selbst, der kognitiv wie emotiv all das erfasst, was geschieht, und selbst wiederum gefühlte und gedachte Impulse gibt, was geschehen sollte, dürfte das integrale Selbst wohl dort angesiedelt sein, wo Denken und Fühlen zusammentreffen, und als innerer Moderator kann es darauf achten, dass beide Seiten angemessen am Selbst beteiligt werden. Die gelegentliche Forderung, »die Gefühle ernst zu nehmen«, zielt darauf, die von Amygdala herströmenden Informationen wahrzunehmen, sie nicht zu blockieren oder ganz zu negieren. »Nicht jedem Gefühlzu folgen« heißt demgegenüber, diesen Informationsstrom nicht unentwegt und ungeprüft auf alle Verhaltensweisen durchschlagen zu lassen. Unverzichtbar ist die Zusammenarbeit beider Ebenen, der kortikalen und subkortikalen , zu der die im präfrontalen Kortex verankerte Kognition die Fähigkeit zur Reflexion , die in Amygdala gespeicherte Emotion die Fähigkeit zur Motivation des Selbst beisteuert. Welche der beiden Ebenen hat im Zweifelsfall den Vorrang? Eine Emotion wie die Angst ist in der Tat im Zweifelsfall mächtiger, die von Amygdala ausgelöste körperliche Reaktion darauf schneller als das Bewusstsein. Der bewusste Zugriff auf Amygdala ist zwar möglich, bedarf jedoch einer länger währenden Umstrukturierung der neuronalen Muster, erfahrbar als eine Umgewöhnung des Selbst. Sofern dies für den Erwerb von Klugheit nötig erscheint, für den das Selbst sich eigentlich noch anderer Mittel bedienen kann.
Dummheit ist die List der Klugheit
    Denn das Selbst bedarf nicht zwangsläufig der Bewusstheit, um zur Klugheit zu kommen. Auch die unbewusste Dummheit kann auf dem Weg zu ihr behilflich sein; nicht Verstand, sondern Unverstand, der ohne großen wissenschaftlichen Aufwand frei zur Verfügung steht. Dummheit tritt im Wesentlichen in zwei Formen auf: en gros als Gesamtdummheit , oder mehr oder weniger fein portioniert als Einzeldummheit ; beide Formen sind in gesamtgesellschaftlicher oder aber individueller Ausprägung vorzufinden, sodass niemand wirklich Mangel leiden muss. Zuweilen drängt sich sogar der Eindruck auf, die Lebenskunst bestünde zu einem guten Teil darin, das Potenzial an Dummheit abzuarbeiten, das die persönliche Mitgift eines jeden fürs Leben ist. Vorzugsweise scheint diese Arbeit in jugendlicher Zeit geleistet zu werden, aber auch das erwachsene Selbst kann sich gleich von dem Gedanken verabschieden, das Potenzial

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