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Mit sich selbst befreundet sein

Mit sich selbst befreundet sein

Titel: Mit sich selbst befreundet sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schmid
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können aufgenommen werden, um sich anregen zu lassen zur Hermeneutik der Existenz und Gestaltung des Lebens: Ein Bild, eine Installation, ein Text lassen sich deuten und interpretieren; was dabei aber in Wahrheit gedeutet und interpretiert wird, ist immer auch das Selbst und das eigene Leben. Oder um sich anrühren zu lassen von etwas »über sich hinaus«, das die eigene Welt überschreitet, von einer Transzendenz in diesem Sinne, von einem »Funken, der überspringt« und eine andere als die bekannte Wirklichkeit, andere als die geläufigen Aspekte und somit andere Möglichkeiten des Lebens, Denkens und Fühlens aufscheinen lässt. Auch um ästhetisch leben zu lernen , mit einer Genauigkeit der Wahrnehmung, die neue Einsichten vermittelt; mit einer Idee des Schönen, die auf sinnlichem Weg und nicht nur im Denken erfahrbar wird; um aufmerksam zu werden auch auf die Verletzlichkeit des Menschen und seiner Welt, auf die Abgründigkeit, die unterhalb der Oberfläche verborgen ist und im Alltag außer Blick gerät. Um schließlich anderes kennen zu lernen , das sich widerständig zum Selbstverständlichen verhält, konträr zum Herrschenden, widersprüchlich zum Einheitlichen, experimentell und überraschend, ein Anlass, selbst von neuem zu träumen, auch exemplarisch wählen zu lernen, denn darin liegt die Kunst: wählen zu können, aktiv wie passiv, durch einTun wie durch ein Lassen. Das Interesse an Kunst speist sich wesentlich aus der Frage, was sich mit ihr als einer Praxis der Freiheit im Leben anstellen lässt, auch dort, wo sie selbst mit »dem Leben« gar nichts zu tun haben will und gerade dadurch wichtige Einsichten fürs Leben vermittelt. Kunst ist wohl immer ein Bemühen um Lebenskunst, produktiv mit dem Vollzug der künstlerischen Existenz, rezeptiv mit der Aufnahme von Kunst ins Leben. Bleibt jedoch die Frage, was denn nun »das Leben« ist, auf das sich Sensibilität, Gespür, Können, Gestaltung und der Umgang mit Kunst in der Lebenskunst richten.
Ist das Leben ein Spiel?
    »So ist das Leben!« Das ist ein Satz, der in den unterschiedlichsten Lebenssituationen leicht über die Lippen kommt. Aber was ist damit gemeint? Wie ist das Leben? Offenkundig kurios, merkwürdig, widersprüchlich, rätselhaft, unerklärlich, paradox, unvorhersehbar, verrückt, ungerecht, lustvoll, und von allem auch noch das Gegenteil – kurz, das Leben zeigt sich unbekümmert um menschliche Wertung und Klassifizierung. Ist es nur eine unregelmäßige Bewegung ohne Sinn und Ziel, das Ich nur ein verwirrter und verlorener Punkt in dieser Bewegung? Was das Leben definitiv ist, lässt sich wohl nicht sagen, und daran ist nichts zu bedauern: Es ist die grundsätzliche Offenheit, die die Spannung des Lebens aufrechterhält. Welche Bedeutung dies hat, lässt sich am besten durch die Vorstellung erschließen, es stünde eine Zeit bevor, in der »das Leben« vollkommen erforscht, durchschaut und bekannt wäre, das Leben im Allgemeinen, das menschliche Leben im Besonderen, das eigene Leben zumal, biologisch, soziologisch, psychologisch, neurobiologisch… Durchaus vorstellbar, dass eine Zeit der Langeweile anbrechen würde, wie sie der Planet noch nie gesehen hätte. Das spricht nicht gegen Erforschungen des Lebens, nur gegen Erwartungen, die damit verbunden sind. Es empfiehlt sich, neben dem analytischen einen hermeneutischen Zugang zum Leben offen zu halten, einen Weg der Deutung und Interpretation, der immer wieder andere Horizonte zu eröffnen vermag, und dies nicht nur für das Leben selbst, sondern auch für Ausrichtungen der Forschung, die sich nicht so objektiv von selbst ergeben, wie gemeinhin geglaubt wird.
    Für die Lebenskunst ist der hermeneutische Zugang zum Leben grundlegend, und eine mögliche Deutung ist, das Leben als Spiel zu verstehen. Die Idee des Lebens als Spiel erscheint vielen Menschen faszinierend, und der Lebenskunst wird die Realisierung dieser Idee zugetraut. Vom Leben als Spiel wird erwartet, dass es ganz so wie ein Spiel Freude macht; es wird zuweilen vernachlässigt, dass zum Spiel immer auch die Möglichkeit großer Enttäuschung gehört. Gute Gründe sprechen allerdings dafür, sich auf die Interpretation des Lebens als Spiel einzulassen, und zugleich nicht alle Vorsicht außer Acht zu lassen: In moderner Zeit gewinnt das Leben als Spiel an Bedeutung, da es für die Individuen aufgrund des Freiseins von Bindung und äußerer Zwecksetzung notwendig wird zu experimentieren, auszuprobieren und in diesem

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