Mit sich selbst befreundet sein
zeitliche Begrenzung, die dem Leben ohnehin gegeben ist, einzelnen Abschnitten und dem Ganzen jedoch auch selbst gegeben werden kann. Objekt ist das vielfältige Material des Lebens, das wie ein Ball ständig seine Richtung ändern kann und mit dem auf unterschiedlichste Weise umzugehen ist. Dabei spielt immer mehr als einer: Subjekt der Lebenskunst ist nie nur das Selbst, sondern sind immer auch andere und »das Leben« selbst, das für Situationen sorgt, die zur Herausforderung werden. Regeln und Regelmäßigkeiten sind zu beachten, formelle oder informelle, vom Selbst, von anderen, vom Leben selbst in Kraft gesetzt und nicht ohne Folgen zu verletzen; und doch müssen sie in manchenSituationen »biegsam« sein, damit das Leben weitergehen kann. In Taktik und Strategie kulminiert die Lebenskunst des Selbst, um durch alle Einzelaktionen und Situationen hindurch das Leben umsichtig und weitsichtig zu strukturieren. Die Kreativität sorgt dafür, dass der Vollzug des Lebens dennoch überraschend bleibt, nicht auszurechnen durch andere, geheimnisvoll, nicht determinierbar, oft auch experimentell, denn zum Spiel wird das Leben dort, wo es um ein Ausprobieren und Versuchen geht, unabhängig von einem Gelingen oder Misslingen. Von Grund auf wird die Zufälligkeit hier ins Lebensverständnis einbezogen, um sich nicht lange mit der Auffassung aufzuhalten, das Leben sei vollständig beeinflussbar. Und doch kommt es darauf an, ein Können zu erlernen und asketisch einzuüben, es zu »trainieren«, um Exzellenz, im Idealfall Eleganz in verschiedensten Lebenssituationen zu erreichen; als Übung fürs Lebenkönnen sind Spiele aller Art geeignet. Die Kenntnis von Kunstgriffen, »Kniffen«, ist hilfreich, um beispielsweise den Knoten zu lösen, in dem eine Situation sich verfangen hat. Die immer weitergehende Ausbildung und Verfeinerung des Gespürs durch Erfahrung und Reflexion ist unverzichtbar, um nicht über jeden Schritt lange nachdenken zu müssen. Grundlegend ist das Zusammenspannen von Leidenschaft und kühlem Verstand zu einer Lebensklugheit. Das innere Machtspiel im Selbst ist zu klären, um eine Selbstbefreundung zu erreichen, auch durch das Einbeziehen von Widersprüchen, die sich nicht aufheben lassen. Im äußeren Machtspiel ist der notwendige Gegenpol und Widerspruch, den andere im Spiel des Lebens repräsentieren, als gegeben zu akzeptieren oder gar als bereichernd zu affirmieren. Das Zusammenspiel, die Kooperation mit anderen lässt sich suchen, um das Netz zu bilden, das weit mehr Lebensmöglichkeiten auftut als das Leben nur für sich allein. Den wichtigen Blick von außen repräsentiert im Lebensvollzug der vertraute Andere, der Freund, und das Selbst bemüht sich darum, diesen Blick selbst zu verinnerlichen. Jeder Lebensvollzug kennt zudem die Rolle vonZuschauern, denn immer handelt es sich um ein Leben vor den Augen der anderen, von ihnen kommentiert und beurteilt, und nie bleibt dies ohne Rückwirkungen auf das Selbstverständnis des Selbst. Eine Herausforderung für die Lebensbewältigung sind Niederlagen und Misserfolge ebenso wie Siege und Erfolge. Und seinen Zweck, etwa das erfüllte Leben, findet das Leben in sich selbst und nicht erst außerhalb. Entscheidend für das Spiel des Lebens ist jedoch, dass eine Beteiligung daran auf Freiheit und Freiwilligkeit, nicht auf Notwendigkeit beruht, es also nicht einfach nur gespielt werden muss, vielmehr eine Wahl wie auch Abwahl grundsätzlich möglich ist.
Einige Differenzen zwischen dem Spiel und dem Leben als Spiel fallen darüber hinaus jedoch ins Auge: Das Spiel ist gewöhnlich vorgeformt und der einzelne Spieler gliedert sich in diese vorgegebene Form ein. Im Leben, das als Spiel verstanden wird, sind einige Vorgaben nicht genau bekannt, und in vielen Fällen hat das Individuum selbst die Formgebung vorzunehmen, sich etwa die Lebensregeln, die es befolgen will, selbst zu geben. Auch verlangt die freie Gründung des Lebens als Spiel ein Verhältnis zur zeitlichen Begrenzung des gesamten Lebens oder einzelner Abschnitte, um entweder zu akzeptieren, »wie es kommt«, oder aber eine eigene Festlegung vorzunehmen. Das Spiel bietet die Möglichkeit des Herausspringens , die im Leben jedoch immer gleich das Ganze betrifft, sei es hermeneutisch : das gesamte Leben nicht mehr als Spiel zu verstehen, oder existenziell : es als Ganzes zu beenden. Und schließlich ist die Revidierbarkeit begrenzt, quantitativ wie qualitativ: Anders als bei jedem Spiel kann im Leben
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