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Mit sich selbst befreundet sein

Mit sich selbst befreundet sein

Titel: Mit sich selbst befreundet sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schmid
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finden sich alle Probleme der intersubjektiven Gerechtigkeit wieder, alle möglichen Lösungen ebenso. Die Probleme resultieren nicht zuletzt daraus, dass dem Verlangen nach Gerechtigkeit im Inneren (wie im Äußeren) Machtverhältnisse zugrunde liegen. Nicht alle Stimmen im Selbst, nicht alle Gefühle, Ideen, Argumente haben gleiches Gewicht. Jede Stimme beharrt aber auf ihrem »Recht« der Gleichbehandlung, ja eigentlich Vorzugsbehandlung. Es bedarf der Klugheit des integralen Selbst, dieses inneren Moderators , mithilfe von Sensibilität und Gespür die unterschiedlichen Aspekte des Selbst, seine verschiedensten Seiten ins Gespräch miteinander zu bringen und jene wechselseitigen Zugeständnisse zu vermitteln, die für einen Ausgleich sorgen und das Zusammenleben neu begründen können. Fragen wärenan sich selbst zu stellen: Ist es gerecht, wie ich mit meinem Körper umgehe, nicht nur insgesamt, sondern auch in Bezug auf seine zahllosen einzelnen und kleinsten Bestandteile? Ist es gerecht, Gefühle, oder spezifischer: dieses oder jenes Gefühl zu unterdrücken? Ist es gerecht, das Denken insgesamt oder genauer: diesen oder jenen Gedanken zu missachten? Ist das Verhältnis zwischen Körper, Seele und Geist auf gerechte Weise austariert? Jede Ungerechtigkeit, die von einer Seite des Selbst als solche empfunden wird, macht es schwierig, das integrale Ganze des Selbst aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen. Um sich selbst nicht Unrecht zu tun, sondern sich gerecht zu werden, käme es darauf an, eine Art und Weise des Zusammenlebens zu finden, die »jedem das Seine« zugestehen kann.
    Aber was bedeutet das? Was soll der Maßstab für Gerechtigkeit sein? Es gibt verschiedene Vorschläge dazu. Welcher letztlich herangezogen wird, beruht auf einer Wahl des Selbst und einer Selbstverpflichtung, die nur vom inneren Moderator eingegangen werden kann – um seiner selbst willen, nicht einer äußeren Norm wegen. Die integrierende und moderierende Instanz kann sich als solche am besten dann erhalten, wenn sie sich selbst an Regeln bindet, die von allen Teilen und Aspekten des Selbst als gerecht anerkannt werden können. Den Rahmen dieser Regeln zu respektieren, wird zur Grundlage des Umgangs mit sich selbst. Ein möglicher Maßstab der inneren (wie äußeren) Gerechtigkeit ist sodann das Prinzip der Fairness : Fair erscheint, dass die Gesamtheit des Selbst von keinem seiner Teile allein besetzt wird, sei es vom Denken, von Gefühlen oder körperlichen Bedürfnissen, vielmehr jeder Teil sein Eigeninteresse zuweilen zurückstellt, um andere dadurch zum Zug kommen zu lassen. Zur Fairness trägt bei, wenn Privilegien, die von einem Teil des Selbst in Anspruch genommen werden, durch seine verstärkte Aufmerksamkeit auf andere Teile wieder ausgeglichen werden. Auch sollte kein Teil des Selbst das Resultat der Anstrengungen anderer für sich nutzen, ohne selbst seinen fairen Anteildazu beizutragen. Fair wäre, sich nicht Dinge abzuverlangen, die so nicht zu realisieren sind, aus welchen Gründen auch immer: etwa nie Angst zu haben, nie zu lügen, nie sich zu widersprechen.
    Ein der Fairness zugrunde liegendes Prinzip, Grundprinzip der intersubjektiven Gerechtigkeit in moderner Zeit, niedergelegt in Menschenrechtserklärungen und Verfassungen, ist das Prinzip der Gleichheit . Intrasubjektiv gewendet, stellt sich die Frage, ob von einer Gleichheit der Teile der Selbst ausgegangen werden soll, im Sinne einer Gleichheit der Rechte im Verhältnis zum integralen Selbst wie auch zueinander, Gleichheit der Ansprüche auf Aufmerksamkeit und Achtung, Gleichheit der Verteilung von Macht, Möglichkeiten, Chancen, Gütern und Lasten. Um jedoch nicht alle charakteristischen Unterschiede der Teile und Aspekte des Selbst zu verwischen, ist das Prinzip der Gleichheit zumindest hier und da durch das gegensätzliche der Ungleichheit zu ersetzen: Dem Teil des Selbst, der die größere Last etwa einer körperlichen Mühe auf sich nimmt, könnte auch eine adäquate Machtausübung im Selbst zugestanden werden. Auf unterschiedliche Anstrengungen könnte eine entsprechend ungleiche Verteilung von Genüssen antworten. Wie schwierig es ist, Gerechtigkeit zu erreichen, zeigt sich jedoch bei einer Verteilung der Lasten, für die der Schlüssel keineswegs offen zutage liegt. Wer trägt die Hauptlast etwa bei einer Anstrengung des Denkens: Das Denken selbst oder der vernachlässigte Körper? Das integrale Selbst muss versuchen, dem einen wie dem anderen

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