Mit sich selbst befreundet sein
und Umgebung der res extensa , der ausgebreiteten Welt, in der Bedeutungslosigkeit versinkt. Selbst die Beziehungen zwischenMenschen werden »cartesianisch«, unkörperlich, und dies keineswegs nur im virtuellen Raum, sondern auch im realen Umfeld.
Entscheidend wäre, der Einrichtung des Lebens in der realen , äußeren Welt einige Aufmerksamkeit zu widmen. Aus ihr heraus und auf sie zurückbezogen könnte das Selbst sich sodann in der virtuellen , inneren Welt ausprobieren, mit verschiedenen »Identitäten« im Netz experimentieren, sich über seine Phantasievorstellungen, seine Aussagen und seine Reaktionen auf die Aussagen anderer definieren, ohne sich dabei zu verlieren. Virtuelle Elemente ließen sich in die Integrität des Selbst einbeziehen, auf kalkulierte Weise wären sie zur Selbstgestaltung einzusetzen, sodass die Virtualität zum Bestandteil der Selbstsorge und des Selbstmanagements würde. Im virtuellen Gespräch mit anderen kann das Selbst das Selbstgespräch führen, das seiner Selbstklärung dient, denn inspirierend und hermeneutisch ergiebig kann dafür auch der elektronische Austausch sein – sofern der wirkliche Austausch mit anderen, mit all seinen scheinbaren Äußerlichkeiten der Mimik, Gestik, Bewegung, Kleidung nicht vernachlässigt wird. Mit dem gefundenen Maß wird die virtuelle letztlich wieder zu einer wirklichen Selbstbeziehung , ausgestattet mit neuerlicher Aufmerksamkeit auch auf den Körper, der unter der Dominanz des Virtuellen am meisten zu leiden beginnt. Auch im virtuellen Raum werden die Anstrengungen zur Selbstbefreundung nicht überflüssig, und auch hier stellt sich die Frage nach einer Gerechtigkeit im Umgang mit sich selbst.
So kommt es zum Informationsmanagement und zur Regierung seiner selbst mithilfe elektronischer Kommunikation im virtuellen Raum. »E-Government« ist nicht nur eine Angelegenheit der Regierung und Verwaltung von Ländern und Gemeinden, Konzernen und Betrieben mithilfe elektronischer Kommunikationsmittel, sondern auch der Haushaltsführung des Selbst, zunächst im weiteren Sinne: Die Virtualität erlaubt, die Produktion materieller Ressourcen ortsunabhängig zu betreiben und ihre Effizienzam Bildschirm beträchtlich zu steigern. Virtuell gewonnene Informationen lassen sich heranziehen zur Gestaltung des Lebens, seiner Rahmenbedingungen, seiner Möglichkeiten. Neue Möglichkeiten sind per Zufall oder aber durch systematische Suche, durch Bildung und Weiterbildung mit elektronischer Hilfe zu entdecken und zu erschließen. E-Government meint jedoch ebenso die Nutzung virtueller Mittel zur Haushaltsführung im engeren Sinne der Reproduktion , bis hin zum »intelligenten«, vernetzten Haus, in dem mit Mikrocomputern kleinster Dimensionen der Alltagsgebrauch der Elektronik erprobt wird – soweit nicht eine Enteignung von Leben damit einhergeht. Für die Verwaltung des Lebens, für Besorgungen, Erledigungen, Kontoführungen ist der virtuelle Raum brauchbar – vorausgesetzt, das Selbst vermag seine persönliche Ordnung der virtuellen Dinge zu finden, vielleicht auch hier mithilfe der Grundregel des »lebenslogischen Ortes«, um nicht in der unkontrollierten Flut der Informationen unterzugehen.
Allerdings kann es sich nicht nur elektronischer Hilfe bedienen, um sich und sein Leben selbst zu regieren , sondern es wird auch elektronisch regierbar – jede seiner Lebensregungen wird mithilfe von »Cookies«, »Spyware« und dergleichen nachvollziehbar. »E-Government« ist daher auch eine Frage der virtuellen Macht , und das Selbst tut gut daran, sich und sein Leben nur auf wählerische Weise den Systemen der Datenspeicherung anzuvertrauen. An der individuellen Verfügungsmacht über elektronische Netze nachhaltig zu arbeiten, lässt sich als Element der Selbstmächtigkeit begreifen, um nicht in virtueller Romantik zu verharren, während reale Pragmatik in Gestalt politischer und ökonomischer Interessen im Netz durchgesetzt wird. Durch kalkulierten Gebrauch und Nicht-Gebrauch des Netzes, durch gezielte, überlegte Wahl und Abwahl von Angeboten im Netz ist, wenn auch nur relativ, die Autonomie zu exerzieren, die darin besteht, wirklich User , »Gebraucher« und nicht einfach nur Consumer , »Verbraucher« zu sein. Für die eigentlichen Lebensfragenaber, Fragen etwa nach Glück und nach dem Sinn des Lebens, bringt die elektronische Führung des Lebens keinerlei Neuerung. In keiner Weise werden mit ihr die Anforderungen der Existenz und der Arbeit an sich selbst
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