Mit sich selbst befreundet sein
diese Arbeit, die das Innenleben des Selbst ebenso wie die im äußeren Leben unentwegt auseinander driftenden Einzelnen zusammenhält, sodass ein Zusammenleben erst gestaltet werden kann.
Haushaltsführung ist zudem die ungeliebte, »unproduktive« Verwaltung des Lebens : all das Ein-, Auf- und Umräumen, all die Kommunikation mit Institutionen und Behörden, all die Regelung von Finanzen, Miet- und Steuerzahlungen, Versicherungen und Versorgungen und vielem mehr. Diesen Dingen des Lebens eine gewisse Ordnung zu geben, zeitlich und räumlich, und sei es nur gerade so viel, dass das Selbst in den überhand nehmenden Anforderungen nicht erstickt, erweist sich als hilfreich. Die Ordnung der alltäglichen Dinge kann eine chaotische sein, entscheidend ist lediglich, dass das Selbst sich darin zurechtfindet; und vielleicht ist ausgerechnet die unsystematische Systematik am besten zur Hand, da sie organisch gewachsen ist. Meist folgt die Ordnung einer Logik, die kaum zu erklären ist, hervorgehend aus Zufällen, Vorlieben und Abneigungen. Ihre Funktion ist keinerRationalität verpflichtet, sondern einer Einrichtung des Lebens, die dem Selbst die Selbstvergessenheit erlaubt, mit der die lästige Arbeit besser zu bewältigen ist. Eine mögliche Regel der Ordnung ist der Verbleib der Dinge an ihrem lebenslogischen Ort . Lebenslogisch ist der Ort, an dem sie erfahrungsgemäß zuerst gesucht werden. Den Dingen des Lebens, die regelmäßig unauffindbar sind, lässt sich auf diese Weise ein Ort zuweisen, von dem her sie geholt und an den sie ohne Umweg auch wieder zurückgebracht werden; ein Ort, der nicht, auch nicht für einen Moment, gewechselt wird. Allerdings ist Ordnung von Grund auf eine Option, keine Norm: Will das Selbst sich die Spannung und Überraschung, wo die Dinge momentan zu finden sein könnten, erhalten, ist irgendwelche Ordnung nur hinderlich.
Wenn all diese Arbeiten aber zu mühsam sind, erst recht, wenn die Auseinandersetzung mit anderen über die Aufteilung der Haushaltsführung nicht zu schlichten ist – erscheint es dann nicht sinnvoll, Dienstleistungen und Service in Anspruch zu nehmen, um die Einrichtung des Lebens und Bewältigung des Alltags auf diese Weise zu bewerkstelligen? Abgesehen von den dafür nötigen »Ressourcen«, wäre lediglich darauf zu achten, dass die Selbstbestimmung , die im Selbstmanagement erkennbar ist, nicht unversehens einer Fremdbestimmung zum Opfer fällt. Denn zweifellos ist es verführerisch, sich bedienen zu lassen; zweifellos können die Annehmlichkeiten der Servicegesellschaft Teil einer gelassenen Lebensführung sein. Aber Service bringt keineswegs nur einen Gewinn etwa an Zeit, sondern möglicherweise auch einen Verlust mit sich: eine Enteignung des Lebens, die schleichend geschieht und zugleich weiter geht als jede Enteignung jemals zuvor. Die Erwartungshaltung wächst ins Uferlose und lässt von einer Welt träumen, in der sämtliche Verhältnisse nur noch dem Selbst dienstbar sind. Die Reibungslosigkeit, die bei Serviceleistungen erwartet wird, hat viel mit Perfektion, aber nichts mehr mit Leben zu tun. Was übrig bleibt, ist keineswegs das reine Leben, sondern kein Leben. Selbst die Inanspruchnahmevon Dienstleistungen bedarf einer Festlegung des Maßes , das sich als lebbar erweist. Eine Haltung des bloßen Anspruchs , der geltend gemacht wird, wäre durch eine der Anstrengung auszutarieren, die wieder selbst unternommen wird, denn ein Leben ohne jede Anstrengung, ohne eigene Bewältigung von Schwierigkeiten, unterliefe das Lebensgefühl auf profunde Weise. Das Selbst, das sich nichts zumutet, kann seine Möglichkeiten ebenso wenig wie seine Grenzen erfahren und empfindet das eigene Leben schließlich als etwas Äußerliches. Die umstandslose Wunscherfüllung auf Schritt und Tritt macht nicht glücklich, sondern begründet ein neues Unglücklichsein: Wer stets nur Service in Anspruch nimmt, behält sich lediglich die Rolle des Mäkelns und Naserümpfens vor. So erzeugt die Servicegesellschaft ein verdrießliches Selbst, dessen entstehender Lebensverdruss selbst (bis auf weiteres) nicht wieder per Dienstleistung aufzufangen ist. Einstweilen aber macht die Servicegesellschaft noch einige elektronische Fortschritte, mit neuen Möglichkeiten, Eigentümlichkeiten, Schwierigkeiten.
Das elektronische Subjekt: E-Mail, E-Life, E-Government
Ankunft in einer fremden Stadt, Abruf des E-Mail-Accounts : Die elektronische Post ermöglicht die Lebensform des E-Nomaden, der mit
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