Mit sich selbst befreundet sein
für den Einzelnen aufgehoben. Mit dem Verlust von Erwerbsarbeit aufgrund umfassender elektronischer Dienstleistung werden sie eher noch verstärkt.
Existenz und Subsistenz: Arbeit an sich selbst und Erwerbsarbeit
Das erscheint als zentrales Problem des Lebens in der postindustriellen Gesellschaft: Keine Arbeit zu haben , Arbeit als Grundlage der Produktion materieller Ressourcen, mit denen der Lebensunterhalt bestritten werden kann. So gerät die Sorge um sich zur Sorge um Arbeit, ja um »Employability« als Voraussetzung für Arbeit: Motivation, Flexibilität, stetige Weiterbildung, um Lern-, Leistungs- und Innovationsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Das Selbst kann sich um Arbeit in Form von freier oder abhängiger Tätigkeit, zeitlich befristeter Tätigkeit, Zeitarbeit, Teilzeitarbeit, Projektarbeit, Patchworking (mehrere Arbeiten zugleich), minimaler Arbeit bemühen. Die bürgerliche Option besteht darin, sich um die für den Lebensunterhalt erforderliche Arbeit selbst zu kümmern und Verantwortung damit auch für andere zu übernehmen. Grundsätzlich stünde jedoch auch die kynische Option offen, die Lebenshaltung antiker Kyniker wie Diogenes: die eigenen Bedürfnisse auf ein Minimum zu reduzieren, um das Leben mit einem Maximum an Autarkie zu führen. Dem Kyniker ist es möglich, sich unter allen Bedingungen »durchzuschlagen«, mit großer Anspruchslosigkeit und Verzichtsbereitschaft, unter erheblichen materiellen Einbußen. Vielleicht erscheint diese Option zu radikal, aber darin besteht die grundsätzliche Wahl: sich mit Fragen des Lebensunterhalts überhaupt zu befassen oder eben nicht. In modernen Gesellschaften des Wohlstands werden diejenigen, die sich um den Lebensunterhalt nicht selbst bemühen wollen oder können, immerhin durch ein»soziales Netz« aufgefangen. Was dabei aber nicht aufgefangen werden kann, ist das damit einhergehende Gefühl einer Enteignung des Lebens durch das Freisein von Arbeit. Das Selbst, das nicht mit eigener Arbeit sein Leben führen und bewältigen kann, läuft Gefahr, dieses Leben nicht mehr als das eigene zu erfahren, nicht als ihm zugehörig, sondern abhängig von anonymen Instanzen.
Das Problem des Freiseins von Arbeit wiederholt sich auf höherer materieller Ebene, wenn jemand »es sich leisten kann«, auf jede Form von Arbeit zu verzichten. Keine Notwendigkeit zur Arbeit zu haben , das ist das andere Problem, denn nicht nur das Ausgeliefertsein an die Notwendigkeit zur Arbeit, sondern auch das Freisein davon kann problematisch sein: Dann nämlich droht der Eindruck, ein »falsches Leben« zu führen, das Leben nicht mehr zu spüren, das dem Selbst durch Dienstleistungen anderer abgenommen wird. Demjenigen aber, der auf ganz gewöhnliche Weise seiner Arbeit nachgeht, stellt sich als größtes Problem womöglich ein weiteres: keinen Bezug zur Arbeit zu haben . Der Grund dafür kann sein, in äußerst komplexen Arbeitsabläufen die Bedeutung des eigenen Beitrags nicht mehr zu sehen, oder aber der Arbeit selbst keine Bedeutung zuzumessen, sie nur als äußerlichen Job zu betrachten, um Geld zu verdienen und »getrennt davon bin ich«, eine Abspaltung der Arbeit vom Selbst. Genau in diesen Spalt nistet sich die Erfahrung von Sinnlosigkeit ein. Wer aber ohne Sinn lebt, wird zynisch, verachtet die Welt und sich selbst, hasst sich für das, was er tut; eine Art von Selbst-Sabotage: Das Gefühl macht sich breit, mit dem eigenen Leben »nichts wirklich Sinnvolles anzustellen«, die eigene Seele zu verkaufen, auch durch besseren Verdienst nicht glücklicher zu werden, eher im Gegenteil: den Selbsthass noch zu verstärken.
»Was ist der Sinn dessen, was ich mache?« Eine wachsende Zahl von Menschen in der postindustriellen Gesellschaft sieht keinen Sinn mehr in der Arbeit, in allen Bereichen und auf allen Ebenen der Gesellschaft. Die Frage nach dem Sinn wirft über dieArbeit hinaus die Frage nach dem Sinn des eigenen Lebens auf: kein Zusammenhang der Arbeit, keiner zwischen Arbeit und Leben, keiner im Leben. Wer nicht nur in der Arbeit, sondern im ganzen Leben keinen Sinn mehr sieht, kann sich selbst mit hartnäckigem »Positivdenken« nicht über die eigentliche Leerstelle hinweghelfen. Der Rückzug auf ein bloßes »Funktionieren« hilft nicht weiter. Wenn es zutrifft, dass Sinn Zusammenhang ist und dass er als solcher Halt zu vermitteln vermag, dann muss die Abwesenheit von Zusammenhängen zwangsläufig zur Erfahrung von Sinn- und Haltlosigkeit führen. Durch Geld ist
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