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Mit verdeckten Karten

Mit verdeckten Karten

Titel: Mit verdeckten Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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war gut und schön, doch wieso hatte Nastjas unausgeschlafenes Gehirn einen Zusammenhang zwischen Puschkin und der Idee der Vergeltung hergestellt? Tomaschewski und Kieslowski. O mein Gott! Das alles hatte überhaupt nichts mit Puschkin und dem Film über das Töten zu tun. Tomaschewski und Kieslowski waren zwei polnische Musiker, Pianisten, die irgendwann einmal sehr bekannt waren und auch in Moskau auftraten. Sie spielten berühmte klassische Musikstücke vierhändig auf zwei Flügeln, von Schubert-Liedern bis zu Beethoven-Sonaten. Die Sonate in g-Moll hatte Nastja damals besonders gefallen.
    Von der Beethoven-Sonate sprangen ihre Gedanke plötzlich auf den französischen Thriller mit dem Titel »Todessonate« über. Sie erinnerte sich daran, wieviel Kopfzerbrechen ihr bei der Lektüre dieses Buches damals der Mord an der jungen, alkoholsüchtigen Prostituierten gemacht hatte, der auf den ersten Blick so einfallslos erschien. Jetzt tauchte vor ihrem geistigen Auge der Umschlag des Buches auf, blutrote Streifen, die an einen Notenständer erinnerten, und darüber ein Violinschlüssel.
    Trotz des glühend heißen Kaffees verwandelte sich Nastjas Magen plötzlich in einen Klumpen aus Eis. Zehn Punkte am Rand des Papierabschnitts, genauer, zweimal fünf Punkte -konnten das die Enden von Notenzeilen sein? So bekam auch das besondere Papier wie aus einem Kinderheft oder Album einen Sinn. Das Papier eines Notenhefts . . .
    Nastja warf einen Blick auf die Uhr, es war noch nicht einmal vier, sie mußte noch mindestens zwei Stunden warten. Um sechs würde sie den General anrufen. Egal, ob das den Regeln guten Benehmens entsprach oder nicht.
    2
    Der Morgen erwies sich als sehr viel kälter, als er Nastja beim Blick aus dem Fenster erschienen war. Die kleinen Wege im Ismajlowskij-Park waren mit feinem Rauhreif bedeckt, und die matte, freudlose Sonne, die zwischen den Wolken hervorkam, hatte ganz offensichtlich nicht vor, an Kraft zuzunehmen und daran zu erinnern, daß Frühling war.
    General Satotschny ging neben Nastja, er trug eine sportliche Hose und eine warme, fellgefütterte Jacke. Nastja sah neidisch auf seine trockenen, sehnigen Hände, an denen er keine Handschuhe trug, offenbar war ihm nicht kalt. Sie selbst war in den zehn Minuten, seit sie aus der Metro gestiegen war, durchgefroren bis auf die Knochen, weil sie zu dünn angezogen war.
    »Verstehen Sie, Iwan Alexejewitsch, ich habe keine andere Wahl, als Russanow zu verdächtigen.« Ihre Stimme zitterte vor Kälte, die Lippen waren so taub, daß sie sich nur mit Mühe bewegten. »Ich weiß, daß das nicht nur dumm ist, sondern wahrscheinlich sogar unprofessionell, aber gegen die Logik finde ich gewöhnlich keine Argumente.«
    »Aber Sie haben nichts weiter als indirekte Indizien«, widersprach Satotschny, »und wenn es auch sehr viele sind, so können sie doch einen Beweis nicht ersetzen. Das muß Ihnen doch selbst klar sein.«
    »Natürlich ist mir das klar. Deshalb bitte ich Sie ja auch um Unterstützung.«
    »Sie möchten, daß ich Ihnen helfe, Beweise zu finden?«
    »Nein, ich möchte, daß Sie mir helfen herauszufinden, ob die Indizien gegen Russanow nicht ein Beweis für die Schuld eines anderen sein könnten.«
    »Das heißt, Sie selbst glauben nicht daran, daß Sergej in die Sache verwickelt ist?«
    »Natürlich glaube ich es nicht. Ich sehe keinen Sinn darin. Ich sehe nicht, worin der Vorteil für ihn bestehen könnte.«
    »Aber für irgend jemanden hat das alles Sinn.«
    »Zweifellos. Und jemand hat einen Vorteil davon. Es hat sich einfach alles so unglücklich gefügt, zuerst für Platonow, jetzt für Sergej. Es sieht so aus, als ob jemand den Verdacht auf die beiden lenken möchte. Und ich möchte herausfinden, wer das ist. Werden Sie mir dabei helfen?«
    »Wenn ich Sie richtig verstanden habe, möchten Sie durch Ihre Nachforschungen über Platonows bisherige Arbeit herausfinden, wohin die Spur wirklich führt.«
    »Nun ja, im besonderen interessieren mich die Einzelheiten dieser Uralsker Geschichte. Vielleicht hat man Tarassow und Agajew umgebracht, weil sie zuviel über die dortigen Machenschaften wußten.«
    Der General verlangsamte seinen Schritt, dann blieb er plötzlich stehen. Offenbar waren seine Hände nun auch kalt geworden, denn er fröstelte und steckte sie in die Taschen. Sein schon etwas schütteres Haar entblößte einen imposanten, gut geformten Schädel, und Nastja ertappte sich mit Erstaunen bei dem Gedanken, daß ihr Männer mit

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