Mit verdeckten Karten
neue Firma die alten Räume zu einem Büro um, und die Handwerker hatten in ihrer Arbeitswut die Wand durchbrochen.
Das, was Kira damals zu hören bekommen hatte, weckte ihr Interesse. Sie begriff, daß das Gespräch zwischen dem Firmenchef und seinem engsten Mitarbeiter stattfand, und den Worten der Männer war eindeutig zu entnehmen, daß Bestechung, Erpressung und andere Formen von Wirtschaftskriminalität für sie zum ganz normalen Alltag gehörten, und daß die Geldsummen, die sie auf verschiedenen Konten gehortet hatten, unter anderem auch auf ausländischen, längst jene Grenze überschritten hatten, an der auch für einen sehr anspruchsvollen Menschen der Luxus begann.
Regungslos, kaum atmend, stand Kira da und verfolgte das Gespräch bis zum Ende. Am nächsten Tag ging sie wieder hinunter in den Kellerraum, aber man hatte das Loch in der Wand bereits wieder zugemauert, und sie konnte nichts mehr von dem hören, was hinter der Wand vor sich ging. Ungeduldig wartete sie auf den Abschluß der Renovierungsarbeiten und den Einzug der neuen Firma. Mehrere Wochen beobachtete sie den Chef und wußte nicht, wie sie es anstellen sollte, mit ihm in Kontakt zu kommen.
Die Gelegenheit, ins verheißungsvolle Innere des Büros zu gelangen, ergab sich ganz zufällig. Eines Tages kam eine Lieferung von Büchern vom Buchbinder zurück. Der Fahrer blieb, wie es seine Gewohnheit war, rauchend im Jeep sitzen und beobachtete grinsend, wie Kira die schweren Bücherpakete aus dem Wagen hob. Ein beladenes Auto vor der Bürotür war verdächtig, deshalb war es ganz natürlich, daß Genadij Schlyk sofort auf die Straße herausgekommen war und unauffällig nachsah, wer sich im Innern des Jeeps befand. Er war verantwortlich für Kabanows Sicherheit, deshalb war er bereits in den ersten Tagen durch alle Büros und Einrichtungen im Haus gegangen und hatte sich jedes der zum Glück nicht allzu zahlreichen Gesichter gemerkt. Die Bibliothekarin hatte keinerlei Mißtrauen in ihm erweckt, deshalb ließ er sich dazu herab, ihr seine Hilfe anzubieten.
»Komm, ich helfe dir«, knurrte er unfreundlich und riß Kira die schweren Bücherpakete förmlich aus der Hand.
Der Fahrer verzog abschätzig das Gesicht, weil er offenbar der Meinung war, daß Schlyk sich in Dinge einmischte, die ihn nichts angingen, Kira hingegen lächelte ihrem unerwarteten Helfer freundlich zu, sie hielt ihm die Tür auf und streifte dabei mit ihrer Brust flüchtig, aber vielsagend seine Schulter. Das Signal kam an; nachdem die Bücher an ihren Platz gebracht waren, machte Schlyk sich mit Kira bekannt und lud sie zum Abendessen ein.
Das Abendessen verlief in einer anregenden Atmosphäre unausgesprochener Andeutungen und Versprechungen. Am nächsten Tag betrat Kira Kabanows Büro und verlangte nach Genadij. Sie hatte es darauf angelegt, Kabanow selbst zu begegnen, aber sie hatte kein Glück. Schlyk erschien augenblicklich, hakte sie unter und führte sie entschieden auf die Straße hinaus, um sich erst dort zu erkundigen, was passiert war, warum sie an seinem Arbeitsplatz erschienen war, da sie doch ausgemacht hatten, daß er kurz vor Arbeitsschluß zu ihr in die Bibliothek kommen würde. Kira lächelte gewinnend und erklärte, daß sie auf dem Weg in die Bücherzentrale sei, sie sei nur vorbeigekommen, um Bescheid zu sagen, weil sie vielleicht bis sechs Uhr nicht zurück sein würde und Genadij deshalb nicht denken solle, daß sie ihn versetzt habe, bis spätestens halb sieben sei sie wieder zurück. Das stimmte Schlyk sofort wieder freundlich, die Zuverlässigkeit und Voraussicht seiner neuen Bekannten gefielen ihm. Abends gingen sie wieder zum Essen in ein Restaurant.
Natürlich war es für Schlyk eine herbe Enttäuschung, als er erfuhr, daß es Kira nicht um ihn ging, sondern um Kabanow, seinen Chef.
»Was willst du von Vitalij Nikolajewitsch?« fragte er, aber Kira lächelte nur geheimnisvoll.
Schlyk erklärte ihr weitschweifig, daß Vitalij Nikolajewitsch keine fremden Personen von der Straße empfing, wenn Kira ein Anliegen an ihn hätte, so müsse sie es erst ihm, Genadij, vortragen. Vielleicht würde sich dann ein Zusammentreffen mit Kabanow erübrigen.
»Gut«, erwiderte Kira entschieden. »Ich sage es dir, und du richtest es deinem Chef aus. Ich bin ausgebildete Sportschützin. Und ich möchte sehr viel Geld haben. Mehr brauche ich dir nicht zu erklären, Genotschka. Du bist ein kluger Kopf, du weißt selbst, was ich meine.«
»Wie kommst du darauf, daß
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