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Mit verdeckten Karten

Mit verdeckten Karten

Titel: Mit verdeckten Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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Vitalij das interessiert?« Schlyk riß die Augen auf vor ehrlicher Verwunderung. Er hatte angenommen, daß die junge Schöne es auf einen Posten als Sekretärin abgesehen hatte oder um Hilfe für irgendeinen Freund bitten würde, der selbst nichts auf die Beine brachte.
    »Wir handeln mit Druckmaschinen und nicht mit Sportschützen«, sagte er.
    »Bitte richte es ihm aus, Genotschka«, wiederholte Kira liebevoll. »Und erzähl mir nicht, daß ich bei euch an der falschen Adresse bin, verkauf mich nicht für dumm!«
    Zwei Tage später kam Schlyk in die Bibliothek.
    »Wollen wir hier sprechen, oder hältst du es bis zum Abend aus?« fragte er kalt.
    »Ich warte bis zum Abend«, sagte Kira sanft lächelnd, womit sie Genadij nicht wenig erstaunte. Ihm schien, daß sie innerlich glühte vor Ungeduld. Aber offenbar verfügte sie über eine große Ausdauer und Selbstbeherrschung, und in diesem Moment wurde Genadij klar, daß er diese Frau falsch eingeschätzt hatte.
    Natürlich konnte er es nicht lassen, sie auf die Folter zu spannen. Er erklärte ihr, daß Kabanow ihn heute bis zu später Stunde brauchen würde, so daß Kira ihn in ihren Angelegenheiten nicht vor halb zwölf Uhr würde sprechen können.
    »Gut«, antwortete Kira mit ruhiger Stimme. »Ich werde warten. Wo treffen wir uns?«
    Schlyk nannte ihr einen Treffpunkt und dachte schadenfroh daran, daß er ihr nichts Interessantes zu sagen haben würde. Kabanow hatte kein Interesse an ihrem Angebot gezeigt.
    »Ich habe dich darauf hingewiesen, daß Kabanow nicht interessiert ist«, sagte er, als sie sich spätabends trafen. »Ernsthafte Geschäftsleute haben keine Zeit für solchen Unsinn, zumal niemand dich kennt und du auch keine Empfehlung vorweisen kannst. Sicher gibt es Leute, die sich für dein Angebot interessieren könnten, aber bei uns bist du an die Falschen geraten. Außerdem muß man, um auf diesem Gebiet zu arbeiten, einen entsprechenden Ruf haben, und du hast nichts dergleichen. Wer bist du denn? Wo kommst du her? Kann man dir vertrauen? Laß diesen Unfug, Mädchen, dir fehlen für so was die Zähne. Bleib schön in deiner Bibliothek sitzen, und suche dir einen ordentlichen Mann, das ist mein Rat für dich. Ich weiß, was ein Straflager ist, ich habe es von innen gesehen, und ich kann dir versprechen, daß dich dort nichts Lustiges erwartet.«
    »Ich brauche deine Ratschläge nicht, Genotschka«, antwortete Kira kalt, während sie langsam neben ihm herging und seinen Arm festhielt. »Ich brauche deine Hilfe. Und wenn du sie mir verweigerst, dann muß ich selbst handeln. Ab sofort wird es an jedem Wochenende einen Toten im Umland von Moskau geben. Genickschuß aus fünfundzwanzig Metern Entfernung. Und ich garantiere dir, daß ich kein einziges Mal danebenschießen werde und daß man mich nicht fassen wird. Es wird so lange Tote geben, bis ihr, du und dein Chef, eingesehen haben werdet, daß ihr mit mir Zusammenarbeiten müßt.«
    »Bist du wahnsinnig?« fragte Genadij mit leisem Grauen in der Stimme.
    »Ich bin zielbewußt«, antwortete Kira ebenso leise. »Und komme nicht auf die Idee, daß deine kindischen Ratschläge und Drohungen mich abschrecken könnten. Laß dich nicht davon täuschen, daß ich eine gutaussehende Frau bin, ich habe Charakter. Ich halte mein Wort.«
    Sie entwand sich behende Schlyks Arm, küßte ihn leicht auf die Wange und verschwand.
    Gleich am ersten Samstag nach diesem Gespräch fuhr Kira aus der Stadt hinaus, um auf ihr erstes Opfer zu waren. Jetzt, während sie auf der nassen Bank im Regen saß, erinnerte sie sich, wie sie mit dem Zug gefahren und später auf einer Straße umhergegangen war, um Ausschau nach einer günstigen Stelle zu halten, wo sie sich verstecken und auf einen einsamen Vorübergehenden warten konnte. Sie beschloß, daß sie Frauen und alte Leute verschonen würde, sie wollte sich auf junge Männer konzentrieren, die alle etwa im gleichen Alter waren. Die Miliz sollte glauben, daß sie von einem schießwütigen Psychopathen umgebracht wurden.
    Damals hatte sie noch befürchtet, daß sie es vielleicht nicht fertigbringen würde, auf ein lebendiges Ziel zu schießen. Es hieß, wenn es darauf ankäme, auf einen Menschen zu schießen, würden viele versagen, nicht jeder sei dazu in der Lage. Aber ihr erster Schuß gelang ihr erstaunlich leicht. Man mußte sich einfach auf sein Ziel konzentrieren und durfte nicht daran denken, daß es sich um ein Menschenleben handelte, um einen lebendigen Menschen, genau wie

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