Mit verdeckten Karten
Nein reagierten (natürlich nur dann, wenn der Wunsch sich auf Speisen und Getränke bezog). Eine der Keil-nerinnen trug einen Zopf, der ihr bis an die Kniekehlen reichte, und das schuf aus irgendeinem Grund eine gemütliche und häusliche Atmosphäre im Restaurant.
Platonow nahm Kira den Mantel ab und überzeugte sich mit Genugtuung davon, daß sie eine sehr gute Figur hatte. Es gefiel im auch, daß sie ein elegantes, mit Sicherheit nicht billiges Kostüm trug. Wenn eine Bibliothekarin in so einem Kostüm zur Arbeit ging, dann war die Bibliothek wahrscheinlich der einzige Ort, den sie außerhalb ihrer Wohnung aufsuchte. Eine Frau, die abends ausging, in deren Leben es mehr gab als den tristen Alltag, kaufte sich nicht so ein Kostüm. Für die Bibliothek genügte etwas Einfaches, Alltägliches, Vorgestriges. Und für den Abend war etwas der Super-Extra-Klasse angesagt, etwas mit Schlitzen, mit Rückenausschnitt, Pluderhosen, kurz, etwas Exotisches. Er wußte, daß die heutigen Frauen sich meistens nach diesem Prinzip kleideten. Aber wenn eine Frau sich ein teures Kostüm für die Arbeit kaufte, das ihr sehr gut stand, dann gehörte sie wahrscheinlich genau zu dem Typ, den er suchte.
»Möchtest du etwas trinken?« fragte er, während er die Speisekarte aufschlug.
»Ich nehme einen Cognac, aber nur einen ganz kleinen, nur ein Tröpfchen.«
Die Kellnerin mit dem phantastischen Zopf nahm die Bestellung entgegen. Platonow steckte sich eine Zigarette an, stützte sein Kinn auf die Hand und sah seiner neuen Bekannten in die Augen.
»Was ist mit uns passiert, was meinst du?« fragte er. Alles entwickelte sich mit Leichtigkeit, genau nach dem Programm, das Platonow auswendig kannte. Jetzt nur nicht allzuviel bluffen, sagte er sich. Frauen sind zwar nicht klüger als Männer, aber sie sind hellhöriger, empfindsamer, sie lassen sich belügen und betrügen, aber Heuchelei durchschauen sie früher oder später immer.
Kira lächelte schweigend und fixierte ihn nach wie vor mit festem Blick. Sie hatte dieselbe Haarfarbe wie Lena, der Unterschied bestand nur darin, daß Lenas Haar glatt war und sie es am Hinterkopf zu einem Knoten drehte, während Kira ihres offen trug, in üppigen, prachtvollen Wellen quoll es ihr auf Schultern und Rücken. Auch ihre Augen erinnerten ihn an Lena, nur daß Lenas Augen Wärme und Zärtlichkeit ausstrahlten, während es bei Kira Feuer und Leidenschaft waren.
»Ich sage dir ganz ehrlich, daß wir uns zum falschen Zeitpunkt getroffen haben.« Platonow eröffnete die entscheidende Szene in seinem so oft geprobten Stück. Jetzt mußte er darauf achten, daß jedes Wort stimmte, jede Bewegung, jeder Blick, damit er die Frau nicht erschreckte.
»So etwas passiert bei weitem nicht jedem, und ich habe Glück, daß es mir passiert ist. Ich habe immer gedacht, daß das eine Romanlüge ist, daß es so etwas in Wirklichkeit nicht gibt. Du schaust eine Frau an und bist verloren. Und ich bin verloren. Ich rede irgendwelchen Unsinn, aber das kommt daher, daß ich nicht mehr denken kann, wenn du mich anschaust. Dabei ist es im Moment das Wichtigste für mich, meine Sinne zusammenzuhalten und bei klarem Verstand zu bleiben, sonst ist das mein Ende.«
»Warum?« fragte sie. Es war seit zehn Minuten das erste Wort, das sie sagte.
»Weil ich in Schwierigkeiten bin und noch nicht weiß, wie ich da wieder herauskommen soll. Meine Lage ist sehr ernst, deshalb darf ich den Kopf nicht verlieren, ich muß klar denken und Entscheidungen treffen. Aber wenn du mich anschaust, wird mir schwindlig. Sag mir, warum schaust du mich so an? Oder hast du von Natur aus einen solchen Blick und schaust jeden so an?«
»Nein, nur dich«, antwortete sie mit ruhiger Stimme. »Du gefällst mir. Du bist mir, ehrlich gesagt, schon vor ein paar Tagen aufgefallen. Du fuhrst in einem olivgrünen Mercedes über den Lenin-Prospekt. Stimmt’s?«
»Ja, stimmt«, erwiderte Dmitrij erstaunt. »Das war vor einer Woche, am Freitag.«
»Genau.« Sie nickte. »Und ich war in einem Bus, der vor dir fuhr, ich stand am hinteren Fenster und schaute auf dein Auto. Dann habe ich angefangen, dein Gesicht anzuschauen. Und heute habe ich dich in der Metro wiedererkannt.«
Sie sagt die Wahrheit, dachte Platonow. Am vergangenen Freitag war ich tatsächlich nicht mit meinem Shiguli unterwegs, sondern mit Valentinas Mercedes. Und ich bin wirklich von der Shitnaja-Straße über den Lenin-Prospekt gefahren, weil ich zur Mosfilmowskaja-Straße mußte. Ein
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