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Mit verdeckten Karten

Mit verdeckten Karten

Titel: Mit verdeckten Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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wie es gewesen ist. Kurz, er wird seinen Freund decken. Im Ministerium sitzen auch keine Dummköpfe, die wollen natürlich nicht, daß einer ihrer Mitarbeiter als Mörder entlarvt wird. So einen Skandal können sie nicht gebrauchen. Und wozu sich die Zähne ausbeißen an der störrischen Petrowka, wenn man jemanden ins Team einschleusen kann, der garantiert alles tun wird, um uns zu beweisen, daß Platonow nicht der Mörder ist. Mit seiner Autorität als Platonows alter Freund wird Russanow jede unserer Versionen untergraben, wenn sie dem Ministerium nicht gefällt. Das ist die ganze Geschichte. Wir müssen darauf einfach vorbereitet sein und dürfen Russanow nicht auf den Leim gehen, das ist alles. Korotkow wird es natürlich etwas schwer haben, er ist jung und hitzig, aber wir beide sind ja stille, zurückhaltende Menschen, uns wird Russanow nicht so schnell aus der Bahn werfen. Hast du ihn schon gesehen?«
    »Bis jetzt nicht. Aber er hat angerufen und sich für vier Uhr angemeldet. Willst du bei dem Treffen dabeisein?«
    »Nein, lieber nicht.« Nastja schüttelte entschieden den Kopf. »Was soll ich mit ihm? Sprich allein mit ihm, einverstanden?«
    »Aber warum denn?«
    »Weil es nicht zweckmäßig wäre, wenn ich gleich beim ersten Mal hinzukäme«, erklärte Nastja. »Wenn wir beide davon ausgehen, daß er vorhat, uns Fallstricke zu legen, dann müssen wir uns vorher wappnen. Zuerst wirst du ihn kennenlernen und feststellen, was für ein Vogel er ist, wie er sich verhält. Bis jetzt können wir noch nicht wissen, welcher Ton, welche Art des Umgangs mit ihm angebracht ist, und es ist nicht ausgeschlossen, daß du erst einmal einen Fehler machen wirst. Danach habe ich dann die Möglichkeit, mich entsprechend in die Sache einzuklinken. Aber wenn wir uns beide von Anfang an falsch verhalten, gibt es kein Zurück mehr. Habe ich recht?«
    Lesnikow kam nicht mehr dazu zu antworten, denn die Tür wurde aufgerissen, und auf der Schwelle erschien Oberst Gordejew. Ihm folgte ein schlanker, mittelgroßer Mann mit einem intelligenten Gesicht und einer Brille mit teurer Metallfassung. Die Brillengläser waren nicht getönt, und aus irgendeinem Grund gefiel das Nastja.
    »Darf ich vorstellen«, sagte Gordejew trocken. »Hauptmann Igor Valentinowitsch Lesnikow. Major Anastasija Pawlowna Kamenskaja. Und das ist Oberstleutnant Sergej Georgijewitsch Russanow aus dem Ressort zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität. Seid nett zueinander!«
    Mit diesen Worten drehte der Oberst mit dem Spitznamen Knüppelchen sich abrupt um und verließ das Zimmer. Für einen Moment trat peinliches Schweigen ein.
    »Bitte entschuldigen Sie, ich bin etwas zu früh«, sagte Rus-sanow schuldbewußt. »Wenn Sie gerade beschäftigt sind, werde ich warten.«
    Nastja sah geflissentlich zur Decke, um weder mit Igors Blick noch mit dem des Gastes zusammenzustoßen. Das war ja nicht gerade günstig gelaufen. Ob Russanow den Rest ihrer Worte noch gehört hatte?
    »Nein, nein, wir erwarteten Sie bereits«, sagte Lesnikow, ohne zu lächeln. »Gehen wir in mein Büro.«
    Igor verließ mit Russanow das Zimmer, und Nastja blieb allein zurück. Sie fing wieder an, in ihren Papieren zu kramen, und erwartete mit Spannung den Ausgang des Gesprächs zwischen Igor und dem Mitarbeiter des Ministeriums. Gewohnheitsmäßig begann sie ihre Analyse mit der Frage, ob das, was sie gesehen hatte, echt war, oder ob es sich um Verstellung, Heuchelei oder Selbstschutz handelte. Der einzige Satz, den Russanow mit schuldbewußter Stimme gesagt hatte, konnte von Schüchternheit oder Verlegenheit zeugen, vielleicht von übertriebener Höflichkeit. Allein die Tatsache, daß ein Mitarbeiter des Ministeriums nicht etwa mit Verspätung, sondern sogar vor der vereinbarten Zeit in der Petrowka erschienen war, zu einem Termin mit gewöhnlichen Ermittlungsbeamten, war vielsagend. Aber wenn es sich um eine durchdachte Taktik handelte, dann waren ihre Befürchtungen berechtigt. Das Ministerium würde mit Russanows Augen und Ohren den Verlauf der Ermittlungen beobachten, und sollte ihm dieser Verlauf nicht gefallen, würde es versuchen, die Dinge durch Russanow zu beeinflussen. Oder es würde ihnen den Fall überhaupt wegnehmen, und dann gute Nacht. Wer war denn heute noch zu beeindrucken von einem unaufgeklärten Mordfall?! Von einem mehr oder weniger . . .
    3
    »Ich bin dafür, daß wir uns duzen«, schlug Russanow sofort vor, »so ist es einfacher.«
    Sie saßen in Igors Büro, das er mit

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