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Mit verdeckten Karten

Mit verdeckten Karten

Titel: Mit verdeckten Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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auf den kleinen Couchtisch zu stellen, die Zuckerdose, die Zitronenscheiben, ein kleines Schälchen mit Keksen, fing er plötzlich ihren Blick auf und zuckte zusammen, so, als hätte er sich verbrannt. Wieder flammte das rätselhafte Feuer in ihren dunkelbraunen Augen. Er nahm seine ganze Kraft zusammen, wandte den Kopf und blickte ihr direkt ins Gesicht. Aber sie sah vollkommen ruhig aus, ihre Augen waren kühl und leidenschaftslos. Wahrscheinlich habe ich mich getäuscht, dachte er. Was nicht verwunderlich wäre. Denn die Situation ist ja in der Tat heikel. Ich habe ihr quasi zu verstehen gegeben, daß ich sie will, aber nun tue ich keinen einzigen Schritt in diese Richtung, mehr noch, ich vermeide alles, was ihr die Möglichkeit geben könnte, selbst einen solchen Schritt zu tun. Frauen verfügen über eine hervorragende Intuition, und es kann nicht sein, daß Kira das nicht merkt. Sie versteht wahrscheinlich nicht, was für ein Spiel ich mit ihr spiele, und das macht sie mißtrauisch, oder es ängstigt sie sogar. Deshalb diese ständige Nervosität. Muß ich es vielleicht endlich tun, um die Spannung zu lösen? Natürlich muß ich es tun, aber Gott allein weiß, wie sehr mir das widerstrebt. Warum eigentlich? Sie ist so lieb und gut, und außerdem ist sie so schön. Warum reizt sie mich trotzdem nicht im geringsten?
    Sie sahen sich die berühmte Komödie im Fernsehen an, ab und zu wechselten sie ein Wort miteinander, Dmitrij bemerkte mit Erstaunen, daß Kira kein einziges Mal lachte oder wenigstens lächelte, obwohl sie selbst gesagt hatte, daß sie diesen Film mochte. Am Ende wandte sie ihr Gesicht ab und wischte sich die Tränen von den Wangen.
    »Kira, was ist los?« fragte er besorgt.
    »Nichts, gar nichts«, sagte sie schnell, ohne den Kopf zu wenden.
    Platonow sah nur eine Hälfte ihres Gesichts, aber an den verkrampften Muskeln erkannte er, daß sie sich mit aller Macht beherrschte, um ein Schluchzen zu unterdrücken. Guter Gott, dachte er, das Mädchen hat wirklich sehr schwache Nerven. Wie ist das möglich bei dem ruhigen Leben, das sie führt? Eine stille, friedliche Bibliothekarin, die am Ende einer Filmkomödie in Tränen ausbricht. Dmitrij beschloß, ihr keine weiteren Fragen zu stellen, um sie nicht noch mehr aufzuwühlen. Vielleicht hatte der Film eine Erinnerung in ihr geweckt, vielleicht hatte sie ihn irgendwann zusammen mit einem Mann gesehen, den sie geliebt hatte und den es in ihrem Leben nicht mehr gab. Was wußte er schon über sie . . .
    5
    Vitalij Nikolajewitsch Kabanow öffnete die Abendausgabe der Zeitung und überflog noch einmal die kurzen Meldungen aus dem Polizeibericht. Wieder ein Mord in der Umgebung von Moskau, ein Mann wurde durch Genickschuß getötet. Da mußte wirklich ein perfekter Scharfschütze am Werk sein. Einer, der wußte, was er wollte, der seine Sache beherrschte. Offenbar wollte er das große Geld verdienen, und dafür mußte man hochbezahlte Aufträge bekommen. Aber solche Aufträge wurden nur an Leute vergeben, die sich einen Ruf als kaltblütige, unfehlbare Killer erworben hatten. Die fünfte Leiche – das war allerdings Beweis genug.
    Kabanows Leibwächter und Chauffeur Gena saß wie immer bewegungslos an der Tür und bewachte seinen Chef.
    »Hast du das gelesen?« fragte Vitalij Nikolajewitsch und deutete mit dem Finger auf die Zeitung.
    Gena nickte wortlos und veränderte seine Pose, indem er die Beine übereinanderschlug und die sehnigen, dicht behaarten Arme vor der Brust verschränkte.
    »Was sagst du dazu?«
    Gena zuckte unbestimmt mit den Schultern, seine Miene drückte deutlich aus, daß er keine Lust hatte, sich über dieses Thema zu unterhalten.
    »Du schweigst? Ich glaube, du bist einfach neidisch, Gena«, scherzte Kabanow. »Der hat ganz schön Ausdauer, was? Zielsicherheit, Kaltblütigkeit und völlige Amoralität. Eine Arbeitskraft von unschätzbarem Wert. Findest du nicht auch?«
    »Abwarten und Tee trinken«, brummte Gena sichtlich mißvergnügt.
    »Gut, gut, wir werden sehen. Was steht noch an für heute?«
    »Das Treffen mit dem Mann von Trofim. Er hat heute morgen angerufen und um einen Termin gebeten. Ich habe Sie bereits davon unterrichtet.«
    »Ach ja, ich erinnere mich. Für wann habe ich ihn bestellt?«
    »Für acht Uhr bei Larissa. Ich habe sie bereits angerufen und Bescheid gesagt.«
    »Gut gemacht. Wir müssen wahrscheinlich bald fahren, es ist schon nach sieben.«
    »In etwa einer Viertelstunde«, erwiderte Gena lakonisch. »Von hier

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