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Mit verdeckten Karten

Mit verdeckten Karten

Titel: Mit verdeckten Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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nie an mich herangetragen wurde. Ich kann Ihnen nichts versprechen. Denken Sie noch einmal über die Sache nach!«
    »Vitalij Nikolajewitsch, man nennt Sie nicht umsonst die Lokomotive. Der Ruf, der Ihnen vorauseilt, ist völlig gerechtfertigt, Sie sind zu allem in der Lage. Ich zähle auf Sie.«
    »Und bis wann erwarten Sie ein Resultat von mir?«
    »In einer Woche, spätestens in zehn Tagen.«
    »Das heißt, Sie wollen, daß ich in zehn Tagen das bewerkstellige, was die gesamte Miliz im Laufe eines Monats nicht bewerkstelligen konnte? Ich beneide Ihren Optimismus, Vitalij Wassiljewitsch.«
    »Sie verstehen mich falsch. Ich möchte, daß dieser Mann in zehn Tagen, besser noch in einer Woche, seinen Auftrag bereits erfüllt hat. Wie lange Sie ihn suchen werden, fünf Minuten oder neuneinhalb Tage, interessiert mich nicht. Heute ist Mittwoch, der fünfte April. Spätestens am Freitag nächster Woche muß der Auftrag erfüllt sein, noch besser schon am Dienstag. Und den Auftrag werden Sie dem Mann erteilen. Ich habe nicht vor, mit ihm in Kontakt zu treten.«
    Kabanow schüttelte den Kopf.
    »Ich kann solche Verpflichtungen nicht übernehmen. Das Risiko ist zu groß. Wenn etwas schiefgeht, werde ich der Schuldige sein. Und wer wird dann meinen Kopf aus der Schlinge ziehen, Sie etwa?«
    »Wohl kaum«, meinte der Gast jovial. »Jeder von uns hat sein Risiko und seinen Gewinn. Also, Vitalij Nikolajewitsch, mein Auftrag ist folgender: ein Mann und eine Frau, eine Einzimmerwohnung im zweiten Stock des Hauses, in dem sich das Geschäft ›Gaben des Meeres‹ befindet. Ein Geschäft dieses Namens gibt es in Moskau nur einmal, also ist ein Irrtum ausgeschlossen. Die Mieterin ist eine Frau, der Mann ist ihr Gast, wahrscheinlich ihr Liebhaber.«
    Er nennt weder die Namen noch eine Adresse, dachte Kabanow. Hat er etwa Angst? Oder kennt er die Namen nicht? Danach zu urteilen, mit welcher Selbstgewißheit er seine Bitte vorgetragen hat, gibt es auf der Welt wahrscheinlich überhaupt nicht sehr viel, wovor er Angst hat, es sei denn vor einem Pärchen in einer Einzimmerwohnung. Offenbar stehen mächtige Leute in hohen Positionen hinter ihm. Es ist ganz schön gefährlich, sich mit ihm einzulassen. Aber noch viel gefährlicher wäre es, Trofim eine Bitte abzuschlagen. Verdammt noch mal, in was bin ich da geraten!
    Er wartete schweigend ab, bis Larissa das Hauptgericht serviert hatte, und nutzte die Zwangspause, um die Situation zu überdenken. Der Gast zeigte nicht die geringsten Anzeichen von Nervosität. Der Eindruck, den er am Anfang auf Kabanow gemacht hatte, hatte getäuscht. Vitalij Nikolajewitsch fragte sich, woher Trofim eigentlich die Gewißheit nahm, daß er, die Lokomotive, über die Möglichkeit verfügte, seiner Bitte nachzukommen. Ging er davon aus, daß er unbegrenzte Macht besaß und ein Alleskönner war, oder hatte er irgendwie von dem Scharfschützen erfahren, der zu Kabanow gekommen war und ihm seine Dienste angeboten hatte? Kabanow hatte nur gelacht und gesagt, das Recht auf hoch-bezahlte Aufträge müsse man sich erst verdienen, indem man sich einen entsprechenden Ruf erwarb und seine Qualitäten in der Praxis bewies. Wenn Trofim tatsächlich etwas von dieser Begegnung zu Ohren gekommen war, dann stellte sich die Frage, wer da geplaudert hatte. Sollte es tatsächlich Gena gewesen sein? Er war der einzige, der davon wußte. Spielte dieser Bastard etwa ein doppeltes Spiel? Aber eigentlich konnte das nicht sein. Der Miliz etwas zuzuflüstern, das mochte noch angehen, aber wer sich mit Trofim, dem obersten Mafia-Paten, einließ, riskierte sein Leben. So schnell kannst du gar nicht denken, und schon bist du tot, liegst auf dem Boden und wirst langsam kalt.
    »Ich glaube, wir haben alles besprochen«, sagte der Gast, so als sei nichts geschehen, während er das Glas hob und mit einer Geste andeutete, daß das Geschäft für ihn erfolgreich abgeschlossen war. »Ich möchte Ihre Zeit nicht länger in Anspruch nehmen.«
    Er kippte das Glas in einem Zug hinunter, erhob sich, verabschiedete sich höflich und verließ das Separee.
    Vitalij Nikolajewitsch sah ihm mit haßerfülltem Blick hinterher. Eine klassische Situation, die in einem berühmten Film den treffenden Titel »Fahrstuhl zum Schafott« erhalten hatte. Wie man die Sache auch drehte und wendete, es lief immer auf dasselbe hinaus: Anklagebank oder Friedhof.

NEUNTES KAPITEL
    1
    Es läutete genau in dem Moment an der Tür, als Nastja Kamenskaja unter die heiße

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