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Mit verdeckten Karten

Mit verdeckten Karten

Titel: Mit verdeckten Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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zusammenzustellen, die man nicht nur zur eigenen Hochzeit, sondern sogar zu einem Empfang bei der englischen Botschaft hätte tragen können. Besonders schick sah Nastja in einem langen perlgrauen Kleid mit einer anthrazitfarbenen Seidenjacke aus.
    »Solche Kleider kann man nur zusammen mit einem aufwendigen Make-up tragen«, sagte Nastja unzufrieden, während sie sich im Spiegel betrachtete. »Mein farbloses Gesicht verdirbt auch die schönste Toilette. Und ich werde mir die Haare tönen müssen, damit sie sich nicht mit der Farbe der Jacke beißen.«
    »Was redest du für einen Unsinn!« sagte Dascha empört. »Du hast wunderschönes platinblondes Haar. Es beißt sich überhaupt nichts.«
    »Nicht platinblond, sondern platingrau«, verbesserte Nastja ihre zukünftige Schwägerin. »Du brauchst mir nicht zu schmeicheln.«
    »Ich schmeichle dir nicht, ich sage die Wahrheit. Ich verstehe gar nicht, warum du dich SQ wenig magst.«
    »Wofür sollte ich mich denn mögen? Für mein Gesicht, das jeder sofort vergißt, weil es so unscheinbar und nichtssagend ist? Für meine ausdruckslosen Augen? Für meine farblosen Wimpern und Augenbrauen? Mach dir nichts vor, Daschenka! Auf einem anderen Blatt steht, daß ich wegen meines unattraktiven Aussehens keinerlei Komplexe habe. Ich weiß, daß ich mich, wenn ich ein paar Stunden dafür investiere, in eine Schönheit der Super-Extra-Klasse verwandeln kann, und manchmal, wenn es unumgänglich ist, mache ich das auch. Aber im allgemeinen bin ich zu faul dafür, es ist uninteressant für mich, wie ich aussehe und ob ich den Männern gefalle.«
    »Und was ist nicht uninteressant für dich?«
    »Da müßte ich dir eine Menge erzählen«, sagte Nastja lachend. »Du zum Beispiel, liebst du den Frühling?«
    »Sehr«, erwiderte Dascha mit einem heftigen Kopfnicken.
    »Wenn du im April auf die Straße gehst, denkst du dann daran, daß jetzt Frühling ist, denkst du an den Himmel, an Schneeglöckchen und alles das?«
    »Natürlich. Ich denke daran und freue mich, versuche, so tief wie möglich einzuatmen, um den Frühling in mich aufzunehmen. Und du?«
    »Ich, meine Liebe, bin eine moralische Mißgeburt. Heute zum Beispiel bin ich zu Fuß unterwegs und denke daran, daß im März in der Umgebung von Moskau vier Morde begangen wurden und daß der April wieder mit einem Mord begonnen hat. Und mich interessiert nur die Frage, wie sich der Frühlingsanfang auf diesen rätselhaften Mörder auswirken wird. Wird er noch aggressiver werden, wie das bei Leuten mit einer Schädelverletzung gewöhnlich im Frühling der Fall ist, oder wird der Frühling ihn besänftigen? Werden die Veränderungen von Witterung und Natur im Umland von Moskau irgendeinen Einfluß auf seine kriminellen Aktivitäten haben, und werden diese Veränderungen uns helfen, diese Bestie endlich zu fassen?«
    »Sag mal, und deine Hochzeit? Denkst du wenigstens ab und zu daran?«
    »Natürlich, jeden Tag. Sobald ein neuer Mord geschieht oder wir endlich eine Spur gefunden haben, die wir verfolgen können, denke ich daran, wie gut es ist, daß ich an diesem Tag nicht zum Standesamt muß. Ich bin ganz sicher, daß am dreizehnten Mai, genau in der Minute, in der ich das Haus verlassen muß, das Verbrechen des Jahrhunderts geschehen wird, und daß ich, anstatt am Tatort zu sein und zu arbeiten, auf irgendeinem blöden Standesamt bei irgendeiner blöden Trauung sein werde.«
    »Nicht bei irgendeiner blöden Trauung, sondern bei deiner eigenen«, verbesserte Dascha vorwurfsvoll. »Sei nicht so herzlos, Anastasija.«
    »Ich bin nicht herzlos, ich bin einfach nur falsch gepolt«, widersprach Nastja. »Weißt du, mir tut das Herz weh, wenn ich an die Menschen denke, die dieser Mörder vielleicht noch umbringen wird. Sie gehen mir nicht aus dem Sinn. Genug, Daschenka, laß uns diesen ganzen Pomp hier wieder aufräumen, in zwanzig Minuten kommt dein Liebster dich abholen.«
    »Und was willst du anziehen? Hast du dich entschieden, oder soll ich noch einmal wiederkommen?«
    »Ich weiß nicht, meine Sonne, mir fällt nichts ein. Ich würde eine Variante vorziehen, bei der ich so wenig wie möglich mit meinem Gesicht und meinen Haaren machen muß. Die graue Kombination ist natürlich sehr schick, aber sie verpflichtet zu Make-up und einer aufwendigen Frisur.«
    »Gut, ich habe verstanden, was du willst«, seufzte Dascha. »Sieh mal: du nimmst den kurzen schwarzen Rock, der zu diesem Kostüm gehört, diese schwarze Bluse mit dem eleganten Kragen und

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