Mit verdeckten Karten
die lange weiße Jacke, die zu diesem Kostüm hier gehört. Hast du es dir gemerkt?«
Nastja nickte.
»Ja. Ich würde aber lieber eine andere Bluse nehmen, die mit dem hochgeschlossenen Kragen. Die gefällt mir besser.«
»Es kommt nicht darauf an, was dir besser gefällt. Dir würde es am besten gefallen, nackt herumzulaufen, um keine Zeit auf das Anziehen zu verschwenden. Wie kann man nur so faul sein! Ein hochgeschlossener Kragen paßt nicht zu einem festlichen Anlaß mitten am Tag, der Hals muß frei sein und unbedingt mit einem sehr teuren Schmuckstück versehen. Zum Beispiel mit einem Brillanten in Platinfassung.«
»Einem Brillanten in Platinfassung?« Nastja begann herzhaft zu lachen. »Du hast vielleicht Ansprüche. Da, wo du arbeitest, kommst du nur mit Ehefrauen von Millionären zusammen, aber ich bin eine einfache russische Polizistin, mein Gehalt mit allen Zuschlägen und Dienstalterszulagen beträgt nicht mehr als hundertfünfzig Dollar im Monat. Ich habe ein goldenes Armband und goldene Ohrringe mit Smaragden, die Ljoscha mir geschenkt hat, außerdem noch ein goldenes Halskettchen. Das ist alles. Und für die nächste Zeit sind auch keine Neuanschaffungen dieser Art vorgesehen.«
»Bist du verrückt geworden?« entrüstete sich Dascha. »Zu einer schwarz-weißen Kombination darf man auf keinen Fall Gold tragen. Keine Frau, die etwas auf sich hält, würde so etwas tun. Wenn dir Platin zu teuer ist, dann nimm Silber, aber sehr gutes. Und unbedingt ein Set aus Halskette, Armband und Ohrringen. Keine Fingerringe.«
»Warum?«
»Weil es um eine Hochzeit geht und nicht um einen Kinobesuch, der Ehering muß an diesem Tag der einzige Ring an deiner Hand sein. Und du mußt eine perfekte Maniküre haben, denk daran. Komm nicht auf die Idee, irgendeinen kitschigen rosafarbenen oder roten Nagellack zu benutzen.«
»Sondern?« fragte Nastja sorgenvoll, während sie ihre Hände vor sich ausstreckte und aufmerksam ihre langen Finger mit den mandelförmigen Nägeln betrachtete.
»Kauf dir einen weiß-silbernen Nagellack, und trag ihn in drei bis vier Schichten auf.«
»Und du glaubst, daß ich in einem schwarzen Rock und einer langen weißen Jacke nicht viel mit meinem Gesicht und meinen Haaren machen muß?« fragte Nastja mißtrauisch, während sie die von Dascha ausgewählten Sachen auf einen eigenen Kleiderbügel hängte, um sie später nicht zu verwechseln.
»Natürlich nicht«, sagte Dascha entschieden. »Der kurze Rock wird deine Beine zeigen, und bei einer Frau, die so überwältigende Beine hat wie du, ist der ganze Rest nicht mehr wichtig. Die Beine stellen alles andere in den Hintergrund. Nur vergiß nicht die hautfarbene Strumpfhose und Schuhe mit hohen Absätzen. Im übrigen wird die schwarze Bluse die Blässe deiner Haut betonen und sie blendend weiß erscheinen lassen. Eine Frau mit deiner Haut muß keine Ähnlichkeit mit Gina Lollobrigida haben. Die weiße Jacke und der Schmuck werden dem ganzen den festlichen Touch verleihen. Das ist die ganze Kunst.«
Während Nastja ihrer zukünftigen Schwägerin zuhörte, verstaute sie die Koffer und Reisetaschen wieder auf dem Zwischenboden. Plötzlich glitt ihr ein Koffer aus der Hand, fiel zu Boden und traf sie empfindlich am Fuß.
»Aau!« heulte sie auf. Sie setzte sich auf den Boden und umfaßte mit beiden Händen den schmerzenden Fuß.
»Tut es weh?« fragte Dascha erschrocken.
Nastja antwortete nicht. Sie saß mit angewinkeltem Bein auf dem Fußboden, hielt mit beiden Händen ihren schmerzenden Knöchel fest und schaukelte hin und her wie in Trance. Sie starrte blicklos in eine Ecke des Zimmers, einen Ausdruck nachhaltiger Gekränktheit im Gesicht. Dascha folgte Nastjas Blick, aber in der Zimmerecke entdeckte sie nichts außer einem Paar Hausschuhen der Größe fünfundvierzig, die offenbar Nastjas zukünftigem Mann Alexej Tschistjakow gehörten.
»Was ist dir, Nastja?« fragte Dascha und berührte vorsichtig ihre Schulter.
»Nichts«, erwiderte sie mit tonloser Stimme. »Wie einfach. Von einem Kostüm der Rock, vom anderen die Jacke, eine ganz simple Bluse, und alles zusammen ergibt eine schicke, elegante Kombination. Man braucht nur etwas Phantasie und das eine oder andere Schmuckstück. Mein Gott, wie einfach.«
2
Maxim, der sechzehnjährige Sohn von General Satotschny, erwartete einen Anruf seiner Freundin, deshalb stürzte er schon fast vor dem ersten Klingelzeichen zum Telefon. Er hörte eine weibliche Stimme in der Leitung,
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