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Mit verdeckten Karten

Mit verdeckten Karten

Titel: Mit verdeckten Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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aus den einzelnen Mosaiksteinen ein Bild zusammenzusetzen. Aber es bestand immer die Gefahr, sich zu täuschen, die Wahrheit einer falschen Person anzuvertrauen, einer, die dich verraten würde, aus Eigennutz, aus Bosheit oder aus Dummheit. Die Wahrheit konnte an die Verbrecher geraten, anstatt an die Kripo, und die Verbrecher würden dich finden und sehr viel schneller für immer zum Schweigen bringen, als die Kollegen von der Kripo dazu kämen, auch nur etwas Böses zu ahnen. Wenn man die Information aber aufteilte und an verschiedene Leute weitergab, bestand die nicht geringe Chance, daß selbst dann, wenn ein Verräter unter ihnen war, die anderen, wenn sie zusammenkamen und feststellten, daß ein Mosaikstein fehlte, sich bis zur Wahrheit durchgraben würden. Nur brauchte man dafür eben Zeit, weil kein einziger mehr oder weniger erfahrener Ermittlungsbeamter, dem eine unbekannte Frau telefonisch die Nachricht eines gesuchten Kriminellen übermittelt hatte, durch die Korridore laufen und lauthals verkünden würde, daß er einen solchen Anruf erhalten hatte. Er würde es wahrscheinlich noch nicht einmal jemandem zuflüstern. Er würde diese Information schweigend verdauen und vor allem eins zu verstehen versuchen: Warum hat man ausgerechnet mich angerufen? Dieser Kriminelle kennt mich doch gar nicht, warum vertraut er sich ausgerechnet mir an? Warum? Womöglich deshalb, weil er von den anderen etwas weiß, das ihn zu Recht mißtrauisch macht? Dann muß ich erst recht eine Weile warten und meine Kollegen beobachten, bevor ich ihnen sage, daß ein flüchtiger Mörder mit mir Kontakt aufgenommen hat.
    Bis zum Abend des vorgestrigen Tages, dem Donnerstag, hatten sich sicherlich weder die Kamenskaja noch Sergej Russanow telefonisch bei General Satotschny gemeldet. Sie dachten nach, mutmaßten, ließen Vorsicht walten. Als erster würde natürlich Sergej bei Satotschny anrufen, einfach deshalb, weil er ihn besser kannte. Von der Kamenskaja konnte man schlecht erwarten, daß sie sich an Satotschny wenden würde. Sie würde von Kiras Anrufen am ehesten Russanow oder ihrem Chef erzählen, und von dort würde sich der Faden zu Satotschny weiterspinnen. Russanow selbst würde der Kamenskaja auf keinen Fall anvertrauen, daß Kira ihn angerufen und daß er von Platonow die Unterlagen über den goldhaltigen Metallverschnitt erhalten hatte. Davon würde er nur Satotschny in Kenntnis setzen, nur ihn allein, denn es handelte sich um eine hochexplosive Information, mit der man höchst vorsichtig umgehen mußte.
    Platonow war längst klar, daß man den Betrieben in Uralsk den Geldhahn abgedreht hatte. Jeder Betrieb in diesem geheimen, vor kurzem noch geschlossenen Städtchen arbeitete mit strategischen Rohstoffen und Edelmetallen und stand unter der Verwaltung des Verteidigungsministeriums. Irgendein Schurke aus der Regierung hatte auf einen Knopf gedrückt und die Finanzierung dieser Betriebe eingestellt, er hatte sie für verlustbringend erklärt und die Betriebskonten eingefroren. Jetzt bekamen die Arbeiter keinen Lohn mehr, und die Verwaltungen der Betriebe ließen sich auf jedes noch so zweifelhafte Geschäft ein, um den Leuten zu helfen.
    Zu der kriminellen Bande, die die Bevölkerung von Uralsk um die letzten Existenzgrundlagen brachte, mußten Leute von der Zentralbank gehören, außerdem jemand, der befugt war, Lizenzen zur Ausfuhr von strategischen Rohstoffen und Edelmetallen zu erteilen. Wahrscheinlich war auch ein hoher Zollbeamter mit von der Partie, und wenn diese Leute besonders habgierig waren, dann hatten sie auch die Steuerpolizei bestochen. Mit einer so soliden Bande war nicht gut Kirschen essen, alle Informationen über sie mußten so lange geheim bleiben, bis sämtliche Beweise erbracht waren und man Nägel mit Köpfen machte konnte.
    Nachdem Platonow die letzte Tapetenbahn geklebt hatte, trat er ein paar Schritte zurück, auf den Flur, und betrachtete zufrieden sein Werk. Die Küche war heller und freundlicher geworden, die Tapeten hatten sich glatt an die Wände geschmiegt, und die feuchten dunklen Flecken würden in ein paar Tagen getrocknet und verschwunden sein.
    Dmitrij sammelte die Tapetenreste und Lumpen ein, stopfte sie in einen großen Müllsack, wischte sorgfältig den Küchenboden und ging duschen. Während er unter dem heißen Wasserstrahl stand, erinnerte er sich plötzlich an das seltsame Rascheln, das aus dem Badezimmer zu ihm gedrungen war, als Kira den Spiegelschrank geöffnet hatte. Er

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