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Mit verdeckten Karten

Mit verdeckten Karten

Titel: Mit verdeckten Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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einen Korb von einem Mädchen oder einer Frau bekommen. Natascha, die jeden Samstag mit ihren Eltern auf die Datscha kam, war fünf Jahre älter als er, aber wen störte das! Weder dem Großvater noch Nataschas altmodischen Eltern kam es in den Sinn, daß zwischen dem Zehntklässler Wolodja und der Studentin im letzten Semester etwas anderes sein könnte als eine rührende kindliche Freundschaft. Irgendwann hatte es diese rührende kindliche Freundschaft zwischen den beiden tatsächlich gegeben, sie schwammen zusammen im Swimmingpool und spielten Tennis, sie machten Wettfahrten auf dem Fahrrad und sahen sich bis Mitternacht Horrorvideos an. Aber eines Tages wurden die Monster auf dem Bildschirm von einem wüsten Porno abgelöst, und eins führte zum andern. Wolodja hatte bereits reichlich sexuelle Erfahrungen mit Mitschülerinnen und Mädchen aus dem Sportclub gesammelt, so daß er sich vor der erwachsenen Natascha nicht fürchtete. Alles verlief sehr gut, und bereits seit zwei Jahren fuhr er nun regelmäßig auf die Datscha und bemühte sich, keinen Samstag auszulassen.
    Die breite Straße mündete in einen schmalen, mit Bäumen gesäumten Pfad. Schon in einem Monat würden die noch kahlen Bäume in zartem Grün stehen, und in zwei Monaten würde das Laub so saftig und dicht sein, daß man nicht mehr würde warten müssen, bis Nataschas Eltern endlich eingeschlafen waren, sondern sich mitten am Tag draußen ein stilles, verstecktes Plätzchen für die Liebe suchen konnte.
    Gäbe es einen Engel, der auf die dummen Fragen von Ermittlungsbeamten antworten würde, hätte dieser Engel gesagt, daß Wolodja Trofimow mitten in süßen Gedanken an die Liebe gestorben war.
    6
    Diesmal war es nicht nötig, bis zum Montag zu warten. Trofim, der wegen des langen Ausbleibens seines Enkels beunruhigt war, beauftragte einen seiner Leibwächter, dem Jungen entgegenzugehen und das eine oder andere Werkzeug mitzunehmen, falls eine Reparatur am Fahrrad nötig sein sollte. Nach einer Stunde kehrte der Leibwächter mit der schrecklichen Nachricht zurück. Nach weiteren vier Stunden verabschiedete Trofim sich von den Kripobeamten, ging ins Haus, schloß sich in seinem Büro ein und rief Vitalij Nikolajewitsch Kabanow an.
    »Ich weiß, daß vor ein paar Tagen jemand bei dir war«, begann er, bemüht, so ruhig und gefaßt wie möglich zu sprechen, ohne sich etwas von seiner Gemütsverfassung anmerken zu lassen.
    »Ja, es war jemand da«, bestätigte Kabanow.
    »Hat er dir seine Bitte vorgetragen?«
    »Ja.«
    »Hast du bereits angefangen, ihr nachzukommen?«
    »Ja.«
    »Gut. Jetzt hör zu, Lokomotive. Hör aufmerksam zu, denn ich werde es dir nur einmal sagen. Dieser Scharfschütze hat heute meinen Enkel erschossen. Die Miliz kann ihn nicht finden, aber du, Lokomotive, kennst ihn. Du hast drei Tage Zeit. Er soll seinen Auftrag erfüllen und dann von der Erdoberfläche verschwinden. Wenn dieses Schwein nach Ablauf von drei Tagen noch am Leben sein sollte, werden die Bullen erfahren, daß dieser Killer dein Mann ist, und das wird dein Ende sein. Hast du mich verstanden, Lokomotive?«
    »Ich habe dich verstanden, Trofim.«
    »Dann ist es gut. Drei Tage. Denk daran!«
    Trofim wollte auflegen, aber er begriff plötzlich, daß er seine Finger nicht vom Hörer lösen konnte. Sein ganzer Körper war im Krampf erstarrt, er knirschte mit den Zähnen, während er versuchte, das heisere Stöhnen zu unterdrücken, das aus seiner Kehle drang, dann fiel er kopfüber auf die polierte Platte seines großen Schreibtisches.
    7
    Der Scharfschütze hatte Trofims Enkel erschossen! So etwas hatte niemand erwartet. So etwas hatte man nicht vorhersehen können. Kabanows Angst und Wut waren so groß, daß er, obwohl er sich seiner Ungerechtigkeit bewußt war, mit Vorwürfen auf seinen Gehilfen Genadij Schlyk losging.
    »Ich habe dir doch gesagt, daß wir für eine Weile aufhören müssen. Ich habe es dir gesagt! Wir hätten die Sache sofort stoppen müssen, gleich nach der ersten Leiche, aber du hast darauf bestanden, daß wir weitermachen. Da bitte, jetzt hast du es. Verstehst du wenigstens, was das für uns bedeutet?«
    Gena schwieg deprimiert. Er hatte nichts zu erwidern.
    »Von wem hat Trofim von meiner Verbindung zu diesem Scharfschützen erfahren? Von dir? Sag schon, du Hundesohn, du Mißgeburt, hast du es ihm geflüstert? Womit hat er dich gekriegt? Mit Geld?«
    »Sie beschwören Gottes Zorn herauf, Vitalij Nikolajewitsch. Sie haben bisher nie an meiner

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