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Mit Worten kann ich fliegen (German Edition)

Mit Worten kann ich fliegen (German Edition)

Titel: Mit Worten kann ich fliegen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Draper
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Lila.
    Sie sah verwirrt aus. Ich sah mich um und suchte nach den richtigen Worten, um zu erklären, was ich meinte. Ich wollte ihr zu verstehen geben, dass Musik für mich Farben hatte, wenn ich sie hörte. Schließlich musste ich einsehen, dass nicht einmal Mrs V. alles, was sich in meinem Kopf befindet, entschlüsseln kann.
    Wir machten weiter.
    Manchmal spielte sie Hip-Hop, manchmal Oldies. Musik und die von ihr hervorgerufenen Farben umhüllten sie genauso selbstverständlich wie ihre Kleidung.
    Mrs V. ging mit mir bei allem möglichen Wetter hinaus. Einmal ließ sie mich sogar im Regen draußen sitzen. Es war drückend heiß, und ich war verschwitzt und gereizt. Es müssen um die 32 ˚C draußen gewesen sein. Wir saßen auf ihrer Veranda und sahen zu, wie die Gewitterwolken sich zusammenzogen. Sie nannte mir die Namen aller Wolken und erfand Geschichten dazu. Ich wusste, dass sie nachher die Bezeichnungen sämtlicher Wolkenformationen für mich auf Karteikarten schreiben würde.
    »Der große, alte Nimbus dort oben – er ist schwarz und mächtig und kann alle anderen Wolken aus dem Himmel pusten. Er will Miss Kumulus heiraten, aber sie ist zu weich und hübsch, um sich auf solch einen Furcht einflößenden Kerl einzulassen. Also wird er wütend und macht Stürme«, erzählte sie mir.
    Schließlich setzte der alte Nimbus sich durch, und der Regen prasselte um mich und Mrs V. nieder. Es regnete so heftig, dass ich nichts über die Veranda hinaus erkennen konnte. Der Wind blies, und die nasse Kühle des Regens fegte über uns hinweg. Es fühlte sich so gut an. Durch eine kleine undichte Stelle auf Mrs V.s Veranda fielen mir ein paar Regentropfen auf den Kopf. Ich lachte laut auf.
    Mrs V. warf mir einen merkwürdigen Blick zu und sprang dann auf. »Willst du es ganz spüren?«, fragte sie.
    Ich nickte mit dem Kopf.
Ja, ja, ja.
    Sie rollte mich die Rampe hinunter, die Dad gebaut hatte. Mit jeder Sekunde wurden wir nasser. Sie blieb stehen, als wir auf dem Rasen anlangten, und wir ließen uns vom Regen durchweichen. Mein Haar, meine Kleider, meine Augen und Arme und Hände. Nass. Nass. Nass. Es war fantastisch. Der Regen war warm, fast wie Badewasser. Ich lachte und lachte.
    Irgendwann schob Mrs V. meinen Rollstuhl die Rampe wieder hoch und ins Haus, wo sie mich trockenrubbelte, mir neue Kleider anzog und mir einen Kakao zu trinken gab. Sie trocknete meinen Rollstuhl ab, und als Dad kam, um mich abzuholen, hatte es aufgehört zu regnen und alles war wieder trocken.
    Ich träumte die ganze Nacht von Kakao-Wolken.



Kapitel 7
    Wenn ich schlafe, träume ich. Und in meinen Träumen kann ich alles. Auf dem Spielplatz werde ich als Erste ins Team gewählt. So schnell kann ich rennen! Ich gehe zum Turnen und falle nie vom Schwebebalken. Ich kann Squaredance tanzen und bin gut darin. Ich rufe meine Freunde an und wir telefonieren stundenlang. Ich flüstere Geheimnisse. Ich singe.
    Wenn ich morgens aufwache, bin ich immer irgendwie enttäuscht, wenn die Realität mich einholt. Ich muss gefüttert und angezogen werden, um einen weiteren langen Tag im Smiley-Raum der Spaulding Street Elementary School verbringen zu können.
    Abgesehen von der Auswahl an Lehrern, die wir in Raum H-5 hatten, hatten wir mehr Hilfskräfte, als ich zählen kann. Diese Hilfskräfte – normalerweise ein Mann für die Jungs und eine Frau für die Mädchen – gehen zum Beispiel mit uns aufs Klo (oder wechseln Windeln bei Kindern wie Ashley und Carl), füttern uns beim Mittagessen, schieben unsere Rollstühle wohin auch immer wir gehen müssen, wischen Münder ab und verteilen Umarmungen. Ich glaube nicht, dass sie besonders gut bezahlt werden, denn sie bleiben nie lange. Dabei sollten sie eine Million Dollar bekommen. Was sie tun, ist echt Schwerstarbeit, und ich glaube, die meisten Leute sehen das gar nicht.
    Es ist sogar schwierig, gute Lehrer für uns zu behalten. Ich glaube, ich kann es ihnen nicht verübeln, dass sie gehen. Denn, wie gesagt, sind wir manchmal ein schwer zu bändigender Haufen.
    Aber ab und zu kriegen wir jemanden, der gut ist. Nach der piepsigen Mrs Hyatt in der Vorschule und Mr Rätsel-Gross in der ersten Klasse wirbelte in der zweiten Klasse Mrs Tracy in unseren Raum.
    Sie stellte fest, dass ich Bücher mochte. Also besorgte sie Kopfhörer und verkabelte mich mit Hörbüchern auf CD. Sie begann mit Kinderkram wie Dr. Seuss, den mein Vater und ich gelesen hatten, als ich zwei war. Nachdem ich sie ein paarmal auf den Boden

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