Mit Worten kann ich fliegen (German Edition)
Morgen an so etwas gedacht. Ich hätte Mom
sagen
können, dass sie mir Sachen zum Wechseln einpacken soll. Es fällt mir immer noch schwer, daran zu denken, dass ich solche Sachen nun
sagen
kann.
Ich nahm den ganzen Tag an keiner Integrationsstunde teil – ich wollte bis zur letzten Minute lernen –, aber als es zum letzten Mal läutet, greife ich sofort nach Catherines Arm. »Beeil dich!« , tippe ich. »Zu Mr D.s Raum.«
Obwohl ich im elektrischen Rollstuhl sitze, stellen wir ihn auf manuell, damit sie mich schieben kann. Zum Selberfahren bin ich zu nervös.
Als wir in Mr Dumings Klassenzimmer ankommen, hat sich dort bereits eine Gruppe Kinder aus meinem Geschichtsunterricht versammelt. Sie tuscheln miteinander und sehen Karteikarten durch. Überrascht sehen sie auf, als Catherine mich hereinschiebt.
»Hi, Melody«, sagt Rose. »Was machst du hier?« Ihre Stimme klingt nicht so nett wie sonst.
»Quizteam« , tippe ich.
Ich höre, wie Claire Jessica zuflüstert: »Sie kann nicht ins Team.« Dabei rümpft sie ihre Nase. »Sie ist aus dem Idiotenzimmer!«
Molly findet das echt witzig. Wenn sie lacht, dann kreischt sie wie ein Blauhäher.
Ich beschließe, sie zu ignorieren, obwohl ich merke, wie die Wut in mir hochsteigt. Ich darf mich nicht ablenken lassen. Mehrere Schüler betreten hintereinander den Raum, sowohl aus der fünften als auch aus der sechsten Jahrgangsstufe. Die Sechstklässler kenne ich nicht besonders gut – sie haben zu einer anderen Zeit Pause als wir. Ich frage mich, ob sie klüger sind. Sie hatten mehr Zeit zu lernen.
Ein paar Kinder zeigen auf mich und flüstern. Als Mr Duming mit einem in Plastik eingeschweißten Papierstapel hereineilt, lässt er einen prüfenden Blick über die anwesenden Schüler schweifen. Als er mich sieht, runzelt er unmerklich die Stirn, aber er legt die Prüfungsblätter auf seinen Schreibtisch und heißt uns alle willkommen.
»Hallo«, sagt er. »Es freut mich sehr, dass sich so viele von euch entschlossen haben, heute Nachmittag am Auswahltest für den Wettbewerb teilzunehmen. Es wird zwar nicht einfach sein, aber wir werden unseren Spaß haben. Gibt es Fragen, bevor wir anfangen?«
Natürlich meldet sich Connor.
»Ja, Connor«, sagt Mr Duming mit einem gutmütigen Seufzer.
»Ähm, gibt es wieder wie letztes Jahr Pizza und so zu den Übungsstunden?«
»Meinst du nicht, dass du es erst mal schaffen musst, ins Team zu kommen?«, ruft sein Freund Rodney.
»Rodney hat recht. Eins nach dem anderen.«
Als handele es sich um einen Schatz, nimmt Mr Duming den Stapel Prüfungsblätter von seinem Schreibtisch.
»In meinen Händen halte ich die offiziellen Testfragen vom Landeshauptquartier der Superhirne in Washington D. C. Ich werde euch die Fragen vorlesen, genau so wie in den echten Wettbewerbsrunden, und dann –« Er hält inne und kann seinen Blick nicht abwenden.
Alle drehen sich um, um zu sehen, was der Grund für die Unterbrechung ist. Ich bin es.
Mr Duming trommelt kurz auf den Papierstapel, räuspert sich und wendet sich an Catherine. »Wissen Sie, ich glaube nicht, dass es angebracht ist, dass Melody hier ist. Wir treffen uns nicht zum Spaß. Es geht darum, unser offizielles Team zusammenzustellen.«
Er spricht nicht mal mit mir. Er sieht geradewegs über meinen Kopf hinweg zu Catherine, als wäre ich unsichtbar. Jetzt bin ich wirklich wütend.
Ich drehe die Lautstärke meiner Maschine auf – sehr laut. »Ich bin hier, um am Test teilzunehmen.«
Mr Duming blinzelt. »Melody, ich will nicht, dass deine Gefühle verletzt werden. Der Test ist sehr schwierig.«
»Ich bin sehr schlau.«
»Ich will nur nicht, dass du enttäuscht wirst, Melody.« Er klingt ehrlich. Irgendwie.
»Ich bin stark« , tippe ich.
»Zeig’s ihnen, Mädel!«, sagt Rose plötzlich von vorne. Ein paar andere Kinder klatschen unterstützend.
Ich fühle mich besser. Zumindest ein bisschen.
Catherine meldet sich zu Wort. »Von Rechts wegen kann sie nicht ausgeschlossen werden. Das wissen Sie, Sir.«
»Ja, aber –«
»Lesen Sie den Schülern wie geplant die Fragen vor. Während sie ihre Antworten auf Blätter schreiben, wird Melody ihre Antworten speichern und dann für Sie ausdrucken.«
»Woher wissen wir, dass Sie ihr nicht helfen?«, fragt Claire.
»Weil ich nicht im Raum sein werde«, antwortet Catherine. »Zu blöd, denn womöglich wirst
du
Hilfe nötig haben!« Catherine grinst sie an, aber Claire sieht einfach weg.
»Geh jetzt« , sage ich zu Catherine.
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