Mit Yoga Lebensaengste bewaltigen
der Regel schwerer im Leben. Um tief greifende Veränderungen, wirkliche Lernprozesse auszulösen, müssen starke Emotionen beteiligt sein. Eine Krise, so Hüther, schafft Chaos im Gehirn, festgefahrene Denkmuster lösen sich auf, und das ist die Voraussetzung für neue kreative Lösungen. Je mehr Krisen wir bewältigen, umso kompetenter werden wir. Unser Selbstvertrauen und die Zuversicht in das Lösen von zukünftigen Problemen wachsen. Angst ist eine Fessel, die uns an das Gewohnte bindet. Das Leben konfrontiert uns immer wieder auch mit der Notwendigkeit, etwas loslassen zu müssen. Natürlich gibt es auch ein Übermaß an Krisen,Schicksalsschlägen und traumatisierenden Ereignissen, die in einem zu frühen Alter geschehen, als dass sie bewältigt werden könnten und die das persönliche Entwicklungspotential bei weitem überfordern. Ein Übermaß, das für alle Menschen eine zu starke Überforderung darstellen würde. Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten kann sich dann nicht entwickeln, und es kann kein Lernen stattfinden, sondern eine therapeutische Begleitung wird notwendig. 11
In einem ähnlichen Sinne ist auch der Spruch von Fritz Perls, dem Begründer der Gestalttherapie, zu verstehen: »Die Angst zeigt, wo es langgeht.« Eine angstvolle Stimmung, die mit einem erhöhten Adrenalinspiegel einhergeht, ist bei genauem Hinsehen oft eine Mischung aus Neugier und Angst. Eine Sache ist ganz spannend und aufregend. Sie lässt den Betroffenen erst dann wieder ruhig werden, wenn er sie ausprobiert hat. Das, wovor man Angst hat, ist gleichzeitig das, was einen am meisten zieht. Im tiefsten Inneren spürt man: »Ich habe zwar Angst, aber ich weiß: Das ist meine nächste Aufgabe.« Sigmund Freud nannte Wunsch und Angst ein Geschwisterpaar. Wenn ich Angst vor Wasser habe, wünsche ich mir unbewusst eine leichtere und unkomplizierte Beziehung zum Wasser. Angst vor einem Vortrag zu haben, mit dem ich im Mittelpunkt stehe, bedeutet, dass ich mir unbewusst genau diese Situation wünsche: »Im Mittelpunkt zu stehen, und alle schauen zu mir hin.«
Angst drückt eine Beziehung aus, die sowohl positiv als auch negativ gepolt sein kann. Daher hat Angst auch die Fähigkeit, Ereignisse anzuziehen. Ein Mensch mit der Angst, vom Partner verlassen zu werden, hat statistisch gesehen eine höhere Chance, auch tatsächlich verlassen zu werden. Kürzlich beobachtete ich mehrere Kinder, die in der Nähe eines Ententeichs spielten. Eine Mutter war dabei, die ihren Sohn immer wieder ermahnte, nicht ins Wasser zu fallen, und dieser Sohn war dann der Einzige, der schließlich tatsächlich ins Wasser fiel. Das Unbewusste kennt das Wort »nicht« nicht, deshalb war der Sohn unbewusst viel mit der Vorstellung »ins Wasser fallen« beschäftigt, bis diese Möglichkeit dann auch Realität wurde. Ein Satz, den meine Patientinnen und Patienten gut kennen, weil ich ihn gerne zitiere, lautet: »Alles, was Aufmerksamkeit bekommt, wächst (und entwickelt sich besser): eine Pflanze, ein Kind, eine Eigenschaft, aber auch Schmerzen und Ängste.« Deshalb empfiehlt es sich zu lernen, die Aufmerksamkeit in eine Richtung zu lenken, die selbst gewählt und selbst bestimmt ist.
Der dynamische Aspekt der Angst – gesunde versus krankhafte Angst
Im Märchen Von einem der auszog, das Fürchten zu lernen ist es dem Helden bewusst, dass ihm eine wichtige Fähigkeit, nämlich die Angst, fehlt. Es gibtverschiedene Varianten dieses Märchenmotivs. Am stimmigsten scheint mir die Fassung zu sein, in der die Seele des Helden erst dann Ruhe findet, als er diesen Entwicklungsschritt – im Märchen ist es der Respekt vor etwas Größerem (nämlich dem Tod) – vollzogen hat.
Märchen waren zu Zeiten, als die Menschen noch nicht lesen und schreiben konnten und zur Bildsprache noch einen unmittelbaren Zugang hatten, wichtige Bildungs- und Erziehungsmittel. Vermutlich befand sich der Held in der Pubertät, in der die vermehrte Ausschüttung von Testosteron ein risikofreudiges Verhalten fördert und das Leben unter dem Motto »No risk – no fun« steht. Wir leben in einer Kultur, in der sowohl Bücher als auch Radio- oder Fernsehkommentatoren zwar die Wichtigkeit von Grenzen betonen (z. B. Grenzen des Wachstums, des Konsumverhaltens, Grenzen der natürlichen Ressourcen usw.), aber weder im Großen, etwa in der Wirtschaft, noch im Kleinen, z. B. der Kindererziehung, wird das Setzen von Grenzen als Wert genügend anerkannt. Das rechte Maß zu finden, eine Kernübung im
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