Mit Yoga Lebensaengste bewaltigen
Gefühl haben: »Wenn ich einen Menschen brauche, ist er für mich da. Aber ich kann auch alleine etwas bewirken und vertraue dabei auf meine eigenen Fähigkeiten.«
Sicher gebundene Menschen, die sich auf andere verlassen können, aber sich selbst nichts zutrauen. Sie neigen dazu, Abhängigkeitsbeziehungen einzugehen.
Unsicher gebundene Menschen, die es schwer haben, anderen zu vertrauen, und der Meinung sind: »Ich kann mich nur auf mich selbst verlassen, sonst bin ich verlassen.« Das Gefühl der Selbstwirksamkeit ist hoch, aber das Vertrauen in andere gering.
Am schwersten haben es unsicher gebundene Menschen, die sich selber für unfähig halten und sich auch nicht auf andere verlassen können. Diese Menschen haben verständlicherweise am meisten unter Ängsten zu leiden.
Für einen konstruktiven Umgang mit den eigenen Ängsten ist es gut zu wissen, ob es einem schwerer fällt, den eigenen Fähigkeiten zu vertrauen, oder ob man eher ein Problem damit hat, sich auf andere zu verlassen. 15
Die Vertreibung aus dem Paradies – eine »Fall«-Geschichte
Ich erinnere mich noch gut an das erste Auftauchen von Angst bei unserer damals etwa anderthalb Jahre alten Tochter, was wir Eltern als neuen Entwicklungsschritt begrüßten. Sie hatte eine schmerzliche Erfahrung mit der Ecke eines Möbelstücks gemacht und konnte diese Erfahrung nun in die Zukunft projizieren. Sie wusste: Wenn ich nicht aufpasse, kann ich mich noch mal andieser Kante stoßen. Während sie zuvor mit Vorliebe sich vertrauensvoll in die Arme der Eltern, aufs Sofa, Bett oder ein Kissen fallen ließ, hatte sie nun die Erfahrung des »Bösen« und des Schmerzes gemacht, die sich in Worten etwa so ausdrücken lässt: »Die Welt ist leider nicht nur weich und schön« – eine wichtige Erkenntnis. Zugleich hatte sich die Zeit in Vergangenheit (gestern gestoßen), Zukunft (es könnte bald wieder passieren) und Gegenwart (das will ich nicht) differenziert. Ich nenne diese Erfahrung »die Vertreibung aus dem Paradies«. Im Fall meiner Tochter mag das banal klingen. Die Erfahrung in meiner psychotherapeutischen Praxis (für Erwachsene) hat mir jedoch gezeigt, dass es gar nicht selbstverständlich ist, aus vergangenen schmerzlichen Erfahrungen zu lernen und die richtigen Schlüsse zu ziehen. Auch lässt sich der Glauben daran, dass die Welt und alle darin lebenden Menschen gut sind und mir nichts passieren kann, in etwas versteckter Form noch bei vielen Erwachsenen finden.
Der Wunsch, dass es keinen Streit, keine Verletzungen, weder durch Objekte noch durch andere Menschen gibt, ist nur allzu verständlich. Es wäre schön, wenn alle Menschen rücksichtsvoll und einsichtig wären und außerdem nicht nur ich selbst, sondern auch andere Menschen jeden Tag gut gelaunt und gesund wären. Nach einer schmerzlichen Erfahrung kommt oft der Seufzer: »Die Welt müsste besser sein!« Die Enttäuschung darf sich Luft machen. Und doch ist es wichtig, der Realität von Verletzung, Schmerz und Streit ins Auge zu sehen, und dabei hilft uns nicht zuletzt das Gefühl der Angst: Angst hat die Funktion, mich vor Naivität zu schützen und vor unangenehmen Folgen zu bewahren. Auch das dreieckige Verkehrsschild mit der Spitze nach oben weist auf eine Gefahrenquelle hin, die beachtet werden will, und stellt eine nützliche Warnung dar.
Der Wunsch nach einer heilen Welt kann an vielen Tagen bestimmend sein. An anderen Tagen löst dagegen möglicherweise die Vorstellung einer nur lieben und netten Welt ein entschiedenes, klares Kopfschütteln aus mit dem Kommentar: »Wie schrecklich langweilig!« Die Stärke des einen und des anderen Wunsches ist verschieden von Mensch zu Mensch und sicher auch von Tag zu Tag. Nicht nur in östlichen Philosophien, sondern auch im Christentum findet man die Überzeugung, dass wir als Menschen in die Zweiheit, in die Dualität geworfen sind. Der Wunsch nach der Einheit bleibt. Ein gelingender Reifungsprozess zeigt sich in fortgeschrittenem Alter unter anderem darin, dass Einseitigkeiten ausgeglichen und integriert werden. In meiner Praxis habe ich oft erlebt, dass Männer, die in jüngerem Alter sehr forsch und leistungsbetont waren, in fortgeschrittenem Alter empathische und soziale Fähigkeiten entwickelten und dass angepasste, altruistische Frauen im reiferen Alter zu erstaunlicher Kraft und Klarheit fanden. Yoga fördert diesen Prozess, indem es dem Tun und Lassen die gleiche Wertigkeit beimisst.
Nochmals zurück zu meiner Tochter. Ihre
Weitere Kostenlose Bücher