Mit Yoga Lebensaengste bewaltigen
zum Ausdruck: »Hass bindet und Liebe macht frei.« Yoga übt Achtsamkeit, das heißt: Alles, was im Jetzt erscheint, wird wohlwollend akzeptiert. Es ist ein wichtiger Schritt, dieses Gebundensein überhaupt wahrzunehmen. Es war zuvor unbewusst da, durch Bewusstwerden entwickelt sich die Freiheit, diese Eigenschaft achtsam zu pflegen oder sie langsam zu entsorgen. Yoga ist daher ein Weg zu mehr Selbstbestimmung und Authentizität.
Auf dem Weg, sich selbst immer besser kennenzulernen und von zufälligen Programmierungen zu befreien, stößt man früher oder später auch auf Zielfragen und Wertsetzungen: »Wofür bin ich da? Wo will ich hin? Was ist der Sinn meines Lebens?« Besonders die meditativen Übungen im Yoga führen zu Fragen nach dem eigenen Wesenskern.
Die Sinnfrage in der Psychologie
Viktor Frankl, nach Sigmund Freud und Alfred Adler der Begründer der dritten Wiener Schule der Psychotherapie, hatte sich schon sehr früh mit der Sinnfrage beschäftigt und bereits im Alter von 16 Jahren einen Vortrag »Über den Sinn des Lebens« vor der sozialistischen Arbeiterjugend gehalten. Durch sein ganzes späteres Wirken und Lehren zeigt sich sein Menschenbild: Der Mensch ist auf Sinn hin ausgerichtet! Das Fehlen von Sinn macht krank. Frankl betonte, dass der Mensch die innere Übereinstimmung mit dem eigenen Dasein und Tun braucht. Wenn er, seiner inneren Bestimmung folgend, authentisch und eigenverantwortlich leben kann, ist er gesund. Aus diesen Grundüberzeugungen entwickelte er die Logotherapie. 62 Logos bedeutet Sinn. Als Leiter einer psychiatrischen Klinik hat er sich später gegen die Ermordung jüdischer Patientinnen und Patienten im Rahmen des sogenannten Euthanasieprogramms zur Wehr gesetzt. Wegen seines mutigen und engagierten Verhaltens war er drei Jahre langin verschiedenen KZs inhaftiert. Diese Zeit nutzte er jedoch, um seine Ideen weiter auszudifferenzieren. Das Beeindruckende an seiner Biographie ist, dass er seinen ganz eigenen Weg geht, unbeirrt von dem, was die Außenwelt von ihm verlangt. Solche Menschen sind natürlich einmalig, und es kann nicht jeder ein Viktor Frankl oder Nelson Mandela sein, aber auch für uns gilt: Mehr Mut zum eigenen Weg zu haben und das Wagnis einzugehen, einzigartig zu sein, ist nicht nur für unsere Selbstentfaltung und die Entwicklung der Persönlichkeit wichtig, es ist vielmehr auch ein wichtiges Heilmittel bei Ängsten und schützt vor Krankheit und Burn-out.
Von Abraham Maslow, dem Begründer der Humanistischen Psychologie, stammt die sogenannte Bedürfnishierarchie, die besagt, dass zuerst die existentiellen Bedürfnisse nach Sicherheit, Bindung und Nahrung erfüllt sein müssen, bevor die höheren Bedürfnisse nach Selbstverwirklichung, Authentizität und Spiritualität sich melden. 63 Wir im Westen haben das große Glück, dass unsere existentiellen Notwendigkeiten in aller Regel kaum ein Problem sind, die komplexeren Bedürfnisse melden sich jedoch oftmals mit ähnlicher Dringlichkeit. Eine Entschiedenheit zum sinnvollen Leben findet man oft gerade bei Menschen, die alles erreicht haben, was an Äußerlichkeiten zu erreichen ist. Die Frage nach dem Sinn stellt sich besonders in der zweiten Lebenshälfte, es ist die typische Frage in der Midlife-Crisis. Lesen und Schreiben zu lernen macht Sinn, auch eine Berufsausbildung ist zunächst genauso sinnvoll, wie eine Familie zu gründen und ein Kind zur Welt zu bringen. Aber dann – wenn das erreicht ist – tauchen die Fragen auf: »Was bleibt von mir? Weshalb war ich hier? Ist durch mich die Welt an einer kleinen Stelle ein bisschen schöner geworden?« Die Frage, was für mich ganz persönlich sinnvoll ist, kann nicht von einer anderen Person beantwortet werden, es ist mein ureigenes Gefühl von Stimmigkeit und Richtigkeit. Ich habe eine Frau gekannt, die ihre Bestimmung darin sah, Küken aus Massentierhaltung aufzukaufen und sie über einige Generationen hinweg so lange zu pflegen, bis sie wieder gesunde Flügel und Beine hatten. Das Geld und der Arbeitseinsatz waren für andere nicht nachvollziehbar, aber sie war mit Leib und Seele mit dieser Aufgabe verbunden, die ihrem Leben Sinn gab.
Ein anderes Beispiel: Ein erfolgreicher Manager kam in meine Praxis, weil er die innere Notwendigkeit einer anderen Weichenstellung fühlte: Das bisherige Leben war für ihn »nicht mehr stimmig«, es fülle ihn nicht mehr aus, er habe das Gefühl, sich verloren zu haben, und wolle jetzt etwas tun, was »wirklich wichtig«
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