Mit Yoga Lebensaengste bewaltigen
und für ihn eine »Herzensangelegenheit« sei. Natürlich hatte er auch Angst vor diesem Schritt, der bedeutete, dass er seinen bisherigen Lebensstandard aufgeben musste, vermutlich das Haus verkaufen musste usw. Für seine seelische Gesundheit war es jedoch notwendig, diesen Schritt zu gehen.
Es ist auch unwahrscheinlich, dass Viktor Frankl keine Angst kannte. Er hatte eine Mutter, die er sehr liebte und deren Leben er durch seinen Widerstand gegen das Naziregime gefährdet sah. Die Angst war auf der einen Seite des Waagebalkens, doch auf der anderen Seite stand das innere Bedürfnis, etwas in die Welt zu bringen, das dieser fehlt und dem eigenen Leben Sinn verleiht. Und diese Seite wog mehr.
Aus dieser Perspektive ist die Angst eine Schwelle, die übertreten werden muss, um zum eigenen Leben zu kommen, das hinter dieser Schwelle liegt. Die ayurvedische Medizin kennt die Weisheit: »Die Seele will lieber sterben als das eigene Wesen verfehlen.« Es gibt einen Punkt, an dem das eigene Leben nicht mehr lebens-wert erscheint, aus Verzweiflung kann dann »todes-mutig« eine andere Richtung eingeschlagen werden. Krankheit und/oder einengende Angst sind daher ein Zeichen für: »So will ich nicht mehr weiterleben!«
Der Psychotherapeut und Meditationslehrer Karlfried Graf Dürckheim nennt drei existentielle Gefährdungen, mit denen jeder konfrontiert ist. Mit der daraus resultierenden Angst muss jeder lernen umzugehen:
Die Bedrohung des Lebens. Wann ist ein Leben noch ein Leben? Wenn ich beide Beine verloren habe, kann ich noch Rollstuhl fahren. Aber was ist, wenn ich nichts mehr höre oder sehe, wenn ich Alzheimer habe oder wenn ich im Koma liege? Eine mögliche Bedrohung des Lebens macht Angst. Früher oder später muss sich jeder dieser Frage stellen.
Die Gefährdung durch letztendliche Einsamkeit. Auch wenn wir glücklich verheiratet sind und einen tragfähigen Freundeskreis haben, gibt es Schritte, die jeder nur ganz alleine gehen kann. Schicksalsschläge, notwendige Operationen und auch an der Schwelle zum Tod ist jeder ganz auf sich selbst gestellt und alleine.
Die Erkenntnis der Sinnlosigkeit. Auch der Sinn ist etwas, das nur ich mir selbst geben kann. Der Sinn des Lebens kann sich mehrmals im Laufe eines Lebens ändern. Und gelegentlich kommt es vor, dass das Leben eine Kehrtwende von 180 Grad erfordert. War dann alles Bisherige sinnlos? Gerade in Krisenzeiten, wenn das Alte nicht mehr trägt und das Neue noch nicht da ist, kann die Frage nach dem Sinn eine quälende Dimension annehmen. Und das hält keiner lange aus. Die Angst kann dann ein Motor sein, um sich auf eine Suchbewegung zu begeben. 64
Von der Angst zur Sinnerfahrung – eine persönliche Geschichte
Im Folgenden gebe ich die anonymisierte und in den personenbezogenen Details veränderte Geschichte einer ehemaligen Patientin wider, die ich einige Jahre ihres Lebens begleiten durfte und die mir ihr Einverständnis für die hier vorliegende Veröffentlichung gegeben hat.
Katja kam als Kind einer »verbotenen Liebe« zur Welt. Beide leiblichen Elternteile waren anderweitig verheiratet. In dem strengen christlichen Umfeld war eine Scheidung nicht möglich. Genauso war es verpönt, ein »Kuckuckskind« im eigenen Heim aufzuziehen. Katjas Mutter war die Sache äußerst peinlich, und sie versuchte, den Umstand geheim zu halten. Außer ihrem Ehemann wusste es keiner. Aus Angst, seine Frau an den attraktiveren Nebenbuhler zu verlieren, wagte der Ziehvater nicht, seine unbändige Kränkungswut an seiner Frau auszulassen, und agierte sie stattdessen mit ganzer Wucht an der Tochter aus, der sichtbaren Erscheinung dieses Seitensprungs. Die Mutter fühlte sich dem Ziehvater gegenüber schuldig und konnte sich nicht schützend vor die Tochter stellen, stattdessen suchte sie der unangenehmen Situation so oft wie möglich zu entfliehen und lieferte so die Tochter noch mehr dem Vater aus, der – häufig betrunken – sie mit Beschimpfungen und Beleidigungen bedroht. Ihre Angst steigert sich oft bis zur Todesangst. Sie baut einen Panzer um sich, wünscht sich weg von dieser Welt und fühlt sich innerlich tot und leer. Katja hat nur wenige Erinnerungen an ihre Kindheit; weder zum Vater noch zur Mutter konnte sie eine vertrauensvolle Beziehung aufbauen. Sie erinnert als wiederkehrende Szenen, dass sie sich oft in der Wohnung versteckte, ganz still war und den Atem anhielt, damit der Ziehvater sie nicht sah. Ihre weitere Entwicklung war geprägt durch
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