Mitch - Herz im Dunkeln
Kragen mitgenommen.
Becca warf Mitch einen Seitenblick zu, dann schaute sie auf den alten Koffer zu seinen Füßen. Weiches dunkles Leder war über festeres Material gespannt. Es handelte sich nicht um eine Sporttasche, wie sie zuerst gedacht hatte. „Gibt es einen bestimmten Grund, weshalb du ihn nicht aufmachst?“
Mitch sah Becca an. „Ich habe Angst vor dem, was ich darin finden werde“, gestand er.
Becca zwang sich, den Blick wieder auf die Straße zu richten. „Ja, geht mir genauso.“ Sie näherten sich einer alten verlassenen Tankstelle, deren Werkstatt mit Brettern vernagelt war. Becca ging vom Gas und lenkte den Wagen die staubige, von Schlaglöchern übersäte Auffahrt hinauf. Der Pick-up hüpfte und schaukelte, bis sie endlich anhielt.
Sie ließ den Motor laufen, damit die Klimaanlage weiterlief.
Becca nahm ihren Mut zusammen. „Also, was da zwischen uns gewesen ist – niemand außer uns weiß davon. Und es muss auch niemand sonst erfahren.“
Seiner Miene entnahm sie, dass er genau wusste, was sie da tat. Sie gab ihm die Chance, ihr den Laufpass zu geben. Er konnte ruhig leugnen, dass ihre Beziehung über den erotischen Aspekt inzwischen weit hinausgegangen war. Zumindest traf das auf sie zu.
„Wir könnten uns darauf einigen, dass es niemals passiert ist“, fuhr sie fort. „Wenn …“
„Aber es ist passiert“, unterbrach er sie. „Ich weiß, du denkst anders darüber, aber ich bin kein Priester. Der Kragen diente nur der Verkleidung. Ich bin gut im Verkleiden. Ich kann mein Aussehen vollkommen verändern. Allerdings wünschte ich, ich wäre ein Priester, denn dann blieben mir jetzt wenigstens noch ein paar Möglichkeiten. Dann hätte ich die Hoffnung, eines Tages mit dir zusammenzuleben. Ich könnte den Beruf wechseln.“ Er probierte ein Lächeln. „Ich könnte dein Angebot annehmen, mir alles über Pferde beizubringen.“
Wollte er damit etwa sagen … „Das willst du?“
„Ich will vor allem dich“, sagte er.
Beccas Herz blieb beinah stehen. Genau diese Worte hatte sie zu ihm gesagt und aufrichtig gemeint …
„Aber ich kann meine Vergangenheit nicht abstreifen, auch wenn ich sie nicht genau kenne“, erklärte er. „Ich will dich nicht in Gefahr bringen. Ich habe noch immer keine Ahnung, wer ich bin. Aber gefährliche Leute suchen nach mir. Deshalb will ich so weit wie möglich von dir weg sein, wenn sie mich schließlich aufspüren.“
Sie wusste nicht, was sie sagen oder was sie tun sollte. Irgendwo hatte er die Formulierung „eines Tages“ benutzt. Das ließ darauf schließen, dass sie unter Umständen doch eine gemeinsame Zukunft hatten.
Becca wandte sich ab. Plötzlich wollte sie diese gemeinsame Zukunft so sehr, dass es wehtat. Aber sie konnte diesen Mann nicht haben. Selbst wenn, wollte sie nicht, dass ihr Glück von einem anderen Menschen abhing. Er aber sagte, er würde alles aufgeben für sie, wenn er nur könnte.
„Ich weiß, was sich in diesem Koffer befindet“, sagte Mitch. „Ich habe ihn noch nicht geöffnet. Trotzdem weiß ich es irgendwie. Ich wusste es gleich, als ich ihn sah. Er hat ein Zahlenschloss, aber das ist kein Problem, denn ich weiß auch die Kombination.“
Er hob den Koffer zwischen sie auf die Sitzbank.
„Da drin sind Kleidungsstücke“, erklärte er. „Eine Jeans, ein T-Shirt und zwei Paar saubere Socken. Außerdem ein Paar Stiefel und Ersatzschuhbänder.“ Er drehte an den Zahlenrädchen, und das Schloss sprang auf. „Und meine Heckler & Koch.“
Mitch griff in den schweren Koffer und holte etwas heraus, das in schwarzen Stoff eingewickelt war. „Ein Mantel befindet sich auch darin, damit ich die Maschinenpistole unauffällig bei mir tragen kann.“
Bei dem Bündel handelte es sich tatsächlich um einen leichten Regenmantel. Und darin eingewickelt war …
Eine äußerst tödlich aussehende Maschinenpistole.
„Wow“, hauchte Becca ehrfürchtig.
„Ich bin kein Priester“, sagte er. „Der Kragen gehörte zu einer Verkleidung. Sind wir uns darin inzwischen einig?“
Sie nickte.
„Gut.“ Ein angespanntes Lächeln huschte über sein attraktives Gesicht. „Ich werde nicht zulassen, dass du den Rest deines Lebens in dem Gefühl verbringst, diese Sache zwischen uns sei nicht vollkommen wunderbar gewesen.“
Mitch legte die Waffe im Fußraum auf den Boden. Dann nahm er eine fest zusammengerollte Jeans aus dem Koffer, zusammen mit einer Pistole in einem ledernen Schulterhalfter. Es folgten Munitionsmagazine, und zwar
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