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Mitch - Herz im Dunkeln

Mitch - Herz im Dunkeln

Titel: Mitch - Herz im Dunkeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Trautmann Suzanne Brockmann
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direkt auf unser Schließfach zu.“
    Die Frau bewegte sich mit dem schlurfenden Gang eines Menschen, der dreißig Kilo Übergewicht mit sich herumschleppte und dieser Last aufgrund seines Alters nicht mehr gewachsen war. Sie trug ein blaues Kleid, das fast auf dem Boden schleifte und ein enormes Hinterteil verbarg, Socken mit kleinem Spitzenbesatz und zerschlissene Turnschuhe. Auf den zotteligen Haaren trug sie eine Baseballkappe, und sie war grell geschminkt. Sie hatte eine schwarze Mülltüte dabei.
    Während Lucky sie beobachtete, änderte sie plötzlich die Richtung. Er entspannte sich wieder. Sie ging auf die Fahrkartenschalter zu, wo sie sich eine Fahrkarte kaufte. Das Geld nahm sie aus einem mit Pailletten besetzten Portemonnaie und zählte es gewissenhaft ab.
    Mit der Fahrkarte in der Hand schlurfte sie zu den harten Plastikstühlen neben den Münzfernsprechern und wuchtete ihr gigantisches Hinterteil in eine der Sitzschalen.
    Niemand sonst war zu sehen. Der nächste Bus, der täglich um 16 Uhr 48 nach Albuquerque fuhr, würde erst in fünfundzwanzig Minuten bereitstehen.
    Lucky fluchte. „Ich kenne tatsächlich schon den Fahrplan auswendig!“, sagte er, als Wes aufsah.
    „Ja, ich auch“, gestand Wes und verzog das Gesicht. „Wahrscheinlich könnten wir jetzt jederzeit hier einen Job bekommen, falls die militärischen Ausgaben noch weiter gekürzt werden.“
    „Oh, klar“, meinte Lucky. „Ich freue mich schon darauf, nach Wyatt City zurückzukehren – aber erst, wenn ich tot bin. Nein, danke! Ich verstehe nicht, wie man ohne das Meer leben kann.“
    Im Busbahnhof stemmte sich die Frau mit dem Müllbeutel aus ihrem Sitz.
    „Versteh ich auch nicht“, sagte Wes. „Apropos Ozean. Hast du was dagegen, wenn ich mal schnell pinkeln gehe?“
    Die Frau ging auf die Schließfächer zu. Sie steuerte direkt die Nummer 101 an und blieb davor stehen. Ihr Hinterteil war so groß, dass Lucky nicht sehen konnte, was sie da machte.
    Er fluchte erneut. „Warte noch!“, sagte er zu Wes. „Die werde ich mir mal genauer ansehen.“
    „Die da? Mann, die ist bestimmt eine freundliche Lady, aber ganz sicher nicht Mitchell Shaws Typ. Wir müssen Ausschau nach einer halten, für die er sich einen neuen Anzug kauft. Eine, für die er möglicherweise sein Land verraten hat.“
    „Warte hier. Sie versperrt uns die Sicht“, befahl Lucky und war schon aus dem Van gestiegen. „Ich bin gleich wieder da.“ Er ging zum Eingang des Busbahnhofs. Vom Rumsitzen taten ihm sämtliche Muskeln weh.
    Er ging an den Schließfächern und der dicken Frau vorbei. In der Mitte des Saals drehte er sich, als hielte er nach jemandem Ausschau. Natürlich war niemand da. Selbst der Angestellte am Fahrkartenschalter war nach hinten gegangen und momentan nirgends zu sehen.
    Lucky ging auf die Frau zu. „Entschuldigen Sie, Ma’am! Haben Sie zufällig eine Frau mit einem Baby gesehen?“ Er setzte ein verlegenes Grinsen auf. „Ich sollte sie schon vor einer Stunde abholen, aber irgendwie ist mir die Zeit davongelaufen.“
    Es schien alles in Ordnung zu sein, kein Grund zur Aufregung. Die Frau hatte offenbar ihre dreckige Wäsche und eine Sammlung alter Zeitschriften in ihrer Plastiktüte, die sie jetzt im Schließfach Nummer 99 verstaute, direkt neben dem Fach mit der Nummer 101. Es war nach wie vor fest verschlossen.
    Die Frau sah ihn an und schüttelte den Kopf.
    Sie trug blauen Lidschatten. Wer um alles in der Welt hatte nur blauen Lidschatten erfunden? Lucky hatte ja nichts dagegen, wenn Lidschatten dezent aufgetragen wurde. Aber die Augen dieser Frau waren regelrecht angemalt. Und dass ihr Gesicht mit pinkfarbenem Rouge geschminkt war, machte die Sache auch nicht unbedingt besser.
    Außerdem roch sie, als hätte sie schon seit Monaten kein Bad mehr genommen. Lucky malte sich aus, wie es wäre, wenn man das Pech hätte, im Bus nach Albuquerque neben dieser Frau sitzen zu müssen.
    Er wich einen Schritt zurück.
    „Nein, tut mir leid. Ich habe niemanden gesehen.“ Sie hörte sich an, als hätte sie den Großteil ihrer – geschätzten – siebzig Jahre täglich drei Päckchen Marlboro geraucht.
    „Macht nichts“, sagte Lucky, noch weiter zurückweichend. „Ist schon in Ordnung. Trotzdem danke.“
    Er stieß die Eingangstür auf und atmete draußen erst einmal tief die heiße Luft ein, die vom Gehsteig aufstieg. Die war auch nicht viel frischer, aber auf jeden Fall eine Verbesserung gegenüber dem Duft, der ihm dort drinnen in die Nase

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