Mitch - Herz im Dunkeln
genug für eine kleine Armee. Außerdem Stiefel, genau wie Mitch prophezeit hatte. Zusammengerollte Sockenpaare. Eine Art Weste. Verbandszeug. Ein Pass.
Nein, nicht nur ein Pass, sondern gleich sieben. Mitch besaß sieben Pässe. Becca schaute schweigend zu, wie er in diesen Dokumenten blätterte. In allen klebte sein Foto, nur war in jedem Pass ein anderer Name eingetragen.
„Kommt dir einer dieser Namen bekannt vor?“, fragte sie.
„Nein, keiner. Nicht mal der mit der Anschrift in Albuquerque.“ Mitch verstaute alles wieder in dem Koffer. „Ich habe es gewusst“, sagte er leise. „Aber ich hatte gehofft, dass ich mich wenigstens einmal irre.“
„Die Waffen beweisen gar nichts“, gab Becca zu bedenken. „Du könntest ebenso gut ein … ein …“
„Ein gewöhnlicher Verbrecher sein und kein Killer?“, schlug er vor.
„Ein Waffensammler.“
Mitch lachte und untersuchte die Maschinenpistole, ehe er sie wieder in den Regenmantel wickelte. „Diese Waffen haben keine Seriennummern mehr. Sämtliche Kennzeichen, anhand derer man sie identifizieren könnte, wurden entfernt. Und ich wette, wenn wir uns die .22er auf der Ranch noch mal genauer ansehen, werden wir das Gleiche feststellen.“ Er machte den Koffer wieder zu und drehte die Zahlenrädchen am Schloss. „Anscheinend sammle ich illegale Waffen, was selbstverständlich ebenso illegal ist.“ Er stellte den Koffer wieder auf den Boden. „Ich möchte, dass du mich in der nächsten Stadt aussteigen lässt, und zurück zur Ranch fährst.“
Mit unbeweglicher Miene legte Becca den Gang ein und fuhr los. Erst war er ein Ranchhelfer, der nicht das Geringste von Pferden verstand, dann ein Held, der einem kleinen Jungen das Leben rettete. Dann war er ein Mann ohne Vergangenheit, der nicht mehr wusste, wer er war und woher er kam. Dann war er ein Priester. Becca war sich so sicher gewesen, dass er ein Priester war! Aber nein – in Wahrheit war er ein Meister der Verwandlung, jemand, der sieben Pässe brauchte, sieben verschiedene Namen und drei tödliche Waffen.
Und zwei Paar Socken zum Wechseln.
Die Socken verrieten ihn.
Mitch wollte sie davon überzeugen, er sei irgendeine Art von Ungeheuer. Vielleicht hatte er ja wirklich einige schlimme Dinge getan. Doch er war vor allem ein Mann. Einer, dessen Sanftmut und Freundlichkeit sie selbst erlebt hatte.
Becca umklammerte das Lenkrad fester. „Du willst nach Albuquerque, um diese Adresse im Pass zu überprüfen.“ Inzwischen kannte sie ihn gut genug, um zu wissen, dass er der Sache nachgehen musste, selbst wenn es sich wahrscheinlich um eine weitere falsche Spur handelte.
„Stimmt. Und ich will nicht, dass du mich dorthin fährst.“ Er kannte sie mittlerweile auch ziemlich gut. „Du kannst mich in Clines Corners aussteigen lassen. Aber weiter wirst du mich nicht begleiten.“
Clines Corners lag an der Route 40, wo sie auf die 285 Richtung Santa Fe traf. Von dort würde er problemlos nach Albuquerque kommen.
Becca warf einen Blick auf die Uhr im Armaturenbrett. Bis Clines Corners waren es noch mindestens drei Stunden. Ihr blieb also noch etwas Zeit, um sich selbst einzureden, dass es für sie beide besser war, wenn sie ihn gehen ließ.
Sie wusste, dass es das Richtige war.
Warum nur kam es ihr dann so falsch vor?
14. KAPITEL
D ie Tür ging auf, und der Amerikaner machte einen Satz.
Die Maschinenpistole schlitterte über den Boden. Mitch dachte nicht nach. Er hob die Waffe auf und feuerte.
Blut spritzte.
So viel Blut.
„Gut gemacht“, sagte der Amerikaner, wobei sich Blutbläschen auf seinen Lippen bildeten.
Mitch starrte die Leichen an, starrte auf das, was er getan hatte.
Und auf dem Fußboden fingen die Hände seines Vaters an zu zucken. Mitch wich zurück, doch er kam nicht weit genug. Er würde nie weit genug wegkommen.
Du sollst nicht töten.
Die angespannte Stimme des Amerikaners verriet seinen Schmerz. „Du hast sie alle zur Hölle geschickt, Mitch.“
Mitch.
Er schreckte aus dem Schlaf hoch, schweißnass trotz der leistungsstarken Klimaanlage im Wagen.
Die Sonne war untergegangen, und meilenweit schienen die Scheinwerfer das einzige Licht zu sein. Im schwachen Licht des Armaturenbretts wirkte Beccas Gesicht geisterhaft. „Alles in Ordnung mit dir?“
Er war noch außer Atem. Mit zitternden Händen nahm er seine Dose Soda aus dem Becherhalter und trank einen Schluck. „Mitch“, brachte er schließlich heraus. „Mein Name. Ich hatte einen Traum …“
„Ach du
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