Mitch - Herz im Dunkeln
„Heirate mich, Becca.“
Damit hatte er sie geschockt. Sie richtete sich auf. „Ich hole das Seil.“
Sie verschwand aus seinem allmählich kleiner werdenden Blickfeld. Er trieb benommen dahin – wie lange, wusste er nicht, vermutlich nur Sekunden –, bis sie zurückkam.
Mitch schaute zu, wie sie Parker mit Knoten fesselte, die jeden Seemann neidisch gemacht hätten. Dann durchsuchte sie die Taschen des Bewusstlosen nach dem Schlüssel. Als sie ihn gefunden hatte, hielt sie ihn hoch, damit Mitch ihn sah. Anschließend steckte sie den Schlüssel in ihre Jeanstasche.
Im nächsten Moment war sie wieder bei Mitch. Sie half ihm auf die Beine und trug ihn beinah zum Wagen.
Sein Arm fing an wehzutun, und als Becca ihn fast in den Wagen hievte, wurde der Schmerz unerträglich. Mitch spürte, wie sie ihn anschnallte.
Dann waren sie unterwegs, federnd, scheinbar über dem holprigen Gelände schwebend. Mitch wurde immer benommener, sein Blickfeld weiter eingeengt. Alles um ihn herum schien nur noch aus Grauschattierungen zu bestehen.
„Bleib bei mir, Mitch!“, sagte Becca. Sie klang angespannt. „Sprich mit mir! Erzähl mir, woran du dich erinnerst! Erinnerst du dich an alles? An deine Kindheit? An den ersten Kuss? An den Abschlussball auf deiner Highschool? Wo du deinen letzten Sommerurlaub verbracht hast?“
„Ich bin mir nicht ganz sicher“, antwortete er. „Ich glaube, ich weiß wieder alles, aber …“
„Erzähl mir, was ein SEAL ist.“
„Wir sind gut im Wasser.“ Das Sprechen fiel ihm inzwischen unendlich schwer. „Wir sind viel unterwegs, ständig irgendwo in irgendwelchen Missionen. Wir tun Dinge, von denen ich dir niemals erzählen darf. Dann brechen wir wieder auf, viel zu schnell. Ich weiß nicht, ob ich dir als dein Freund empfehlen würde, mich zu heiraten.“
Das brachte sie zum Lachen. „Kommst du denn auch wieder zurück?“
„Immer“, sagte er. „Für dich würde ich noch aus der Hölle zurückkehren. Aus dem Himmel auch.“
„Darauf werde ich dich festnageln. He, mach bloß nicht die Augen zu!“ Sie weinte.
Es war nicht seine Absicht gewesen, sie zum Weinen zu bringen. „Mitch, wir sind fast da. Ich werde den Sheriff informieren, damit er einen Rettungshubschrauber schickt, der dich nach Santa Fe bringt.“
„Admiral Jake Robinson“, brachte Mitch mühsam heraus. „Rufst du ihn an für mich?“
„Admiral Jake Robinson“, wiederholte sie.
„Er ist …“
„Ich werde ihn schon finden“, versicherte sie ihm.
„Vergiss nicht …“
„Parker? Keine Sorge, den werde ich ganz bestimmt nicht vergessen.“
„Nein, ich meinte, vergiss nicht, dass ich dich liebe.“
Ihr Lachen klang mehr wie ein Schluchzen.
Plötzlich war Rufen zu hören. Becca rief laut nach medizinischer Hilfe. Außerdem war Hazels schrille Stimme zu hören. Und der tiefe Bass des Sheriffs.
Mitch ließ sich in die Dunkelheit fallen.
Becca fuhr sich nervös durch die Haare, als sie den Krankenhausflur entlangeilte. Sie versuchte ihre Locken zu bändigen.
Im Rettungshubschrauber war kein Platz mehr für sie gewesen, deshalb hatte sie die Hälfte des Weges nach Santa Fe mit dem Auto zurückgelegt. Sie hatte den Sheriff mit dem verhafteten Casey Parker einfach in der Auffahrt stehen lassen und ihre nassen, blutverschmierten Sachen gewechselt. Dann hatte sie sich ihr Handy geschnappt und war in die Stadt gefahren.
Mitchs Admiral Robinson erreichte sie gleich beim ersten Versuch. Sie hatte tatsächlich im Pentagon angerufen – das schien der geeignete Ort zu sein, um nach einem Admiral zu suchen. Als sie sagte, sie wolle mit Robinson sprechen, landete sie in der Warteschleife. Danach bekam sie einen effizient klingenden jungen Assistenten an die Strippe, dem sie erklärte, dass sie wegen Mitch anrief. Daraufhin landete sie erneut in der Warteschleife.
Zehn Sekunden später meldete sich ein anderer Mann. Becca sprach bereits eine Minute mit ihm, als ihr dämmerte, dass es sich um den Admiral persönlich handelte.
Sie fasste die ganze Geschichte für ihn so gut es ging zusammen und berichtete ihm von Mitchs Schusswunde am Kopf und dem daraus resultierenden Gedächtnisverlust. Seiner Suche nach seiner Identität. Der heutigen, beinah tödlich verlaufenden Begegnung mit dem echten Casey Parker. Sie erzählte ihm, dass Mitch wahrscheinlich schon ins Krankenhaus in Santa Fe eingeliefert worden und sie unterwegs dorthin sei, und zwar mit dem Wagen. Sie erklärte ihm, es tue ihr leid, aber sie könne
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