Mitch - Herz im Dunkeln
verzweifelt kämpfen. Das Wasser war aufgewühlt durch die Kämpfenden. Mitch versuchte freizukommen und Luft zu holen. Doch Parker war viel größer und schwerer. Und er blutete nicht aus einer Schusswunde.
Becca lief durch das Wasser stolpernd zu ihnen. Sie hob einen schweren Stein auf, um ihn als Waffe zu benutzen.
Aber das Wasser stieg immer schneller und brachte sie aus dem Gleichgewicht, bevor sie die Männer erreichte. Während sie wieder auf die Beine zu kommen versuchte, wurde Parker unter Wasser gezogen. Im Kreis wirbelnde Luftblasen hinterlassend, trieben die beiden Männer flussabwärts.
Becca kletterte ans Ufer des nun fast reißenden Flusses, triefnass und nach Luft schnappend. Nur knapp konnte sie einem großen Holzstück ausweichen, das an ihr vorbeitrieb. Dabei erinnerte sie sich an die üble Prellung, die Mitch der Zusammenprall mit einem ähnlichen Stück Holz beschert hatte.
Als wären Casey Parker und die Schussverletzung nicht schon schlimm genug, konnte auch der Fluss Mitch jederzeit umbringen.
Becca kämpfte sich aus dem Wasser und rannte zu ihrem Wagen. Das Wasser schwappte in ihren Stiefeln. Sie ließ den Motor aufheulen und raste los, der Biegung des Flusses folgend. Wegen des rasch aufklarenden Himmels musste sie die Augen mit der einen Hand gegen die unerwartete Helligkeit schützen. Im Stillen betete sie darum, irgendwo in der reißenden Strömung eine Spur von Mitch zu entdecken.
Unter Wasser.
Dort waren die Chancen wieder ausgeglichen, in diesem Kampf, den Mitch schon verloren zu haben glaubte.
Unter Wasser befand er sich plötzlich wieder im Vorteil. Im Wasser fühlte ein SEAL sich zu Hause. Parker hingegen schien, seinen zappelnden Bewegungen nach zu urteilen, kaum schwimmen zu können.
Mitch ließ sich von der Gewalt des Flusses mitreißen, statt dagegen anzukämpfen. Er spürte genau, als Parker die Luft ausging. Das Zucken seines Körpers verriet Mitch, dass er den Mann rasch an die Wasseroberfläche bringen musste, wenn der nicht ertrinken sollte.
Es war nicht leicht, den viel schwereren Mann aus der Strömung ans felsige Ufer zu bekommen. Und der Wasserspiegel stieg noch weiter, deshalb musste er ihn möglichst weit hinauf ans Ufer zerren – mit nur einem gesunden Arm.
Parker atmete noch. Aber schwach.
Offenbar war er bewusstlos. Gut. Mitch wusste nicht, ob er noch die Kraft für einen weiteren Kampf besaß.
„Mitch!“
Er drehte sich um und sah Becca, die auf ihn zugerannt kam. Wundervolle Becca, mit ihren engelsgleichen Augen …
„Dem Himmel sei Dank!“ Sie kletterte den Hang hinunter. „Wo bist du getroffen?“
„Nur am Arm. Ist bloß ein Streifschuss.“ Mitch fror entsetzlich.
Sie wurde wütend. „Nur ein …? Mitch, das ist nicht bloß ein Streifschuss!“
Tatsächlich hatte er viel Blut verloren. Das erklärte, warum ihm so kalt war.
„Mir geht’s gut“, versicherte er ihr. „Becca, ich kann mich an alles erinnern! Ich bin ein SEAL, ein Navy-SEAL. Parker ist im Besitz von gestohlenem Plutonium. Es stammt aus einem Militärlabor. Ich habe monatelang als Undercover-Agent versucht, das Plutonium aufzuspüren. Ich gehöre zu den Guten.“
Sie zog ihr T-Shirt aus, was ihn einen Moment lang aus dem Konzept brachte. Dann begriff er, dass sie ihm nur den Oberarm abbinden wollte, um die Blutung zu stoppen.
„Schaffst du es bis zum Wagen?“, fragte sie. Ihre Stimme drang wie aus weiter Ferne zu ihm.
Vielleicht hatte er wirklich zu viel Blut verloren. Mitch raffte sich auf und kämpfte gegen die drohende Ohnmacht an. „Was ist mit Parker?“
Becca erklärte auf ziemlich undamenhafte Weise, was Parker ihrer Ansicht nach mit sich selbst tun konnte. „Der Sheriff soll ihn abholen.“
Mitch schüttelte den Kopf. „Nein. Ich bin schon zu lange hinter ihm her. Hol den Schlüssel aus seiner Tasche. Ich werde ihn wenigstens fesseln.“
Ihre Augen verrieten, wie besorgt sie um ihn war.
„Gib mir ein Seil“, drängte er sie. „Bitte. Ich habe diesen Kerl monatelang gejagt. Ich kann nicht riskieren, ihn jetzt schon wieder zu verlieren.“
„Du kannst auch nicht dein Leben riskieren“, konterte sie aufgebracht. „Du bist der einzige Mann auf der Welt, den ich wirklich will. Dich oder keinen. Wenn du stirbst …“
„Ich werde nicht sterben.“
„Versprochen?“
In seinem Job brachte es kein Glück, so etwas zu versprechen. In seinem Job war jedes Versprechen nur schwer zu halten. Doch Mitch wollte ihr alles versprechen, was er konnte.
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