Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation
Verantwortung für seine Gefühle und Reaktionen übernimmt und sie nicht dem Sender allein aufbürdet, nach dem Motto: «Nun sieh, was du angerichtet hast!» Diese Übernahme der Verantwortung ist nicht nur sachlich angemessen, sondern erleichtert auch die Kommunikation ungemein. Denn wenn der Empfänger im Sender den bösen Täter und in sich selbst nur das arme Opfer sieht, kommt es leicht zu einem zwischenmenschlichen Tribunal, das sich der Frage widmet: Wer hat schuld und wer hat recht? Deswegen liegt im Feedback dann eine Chance zur Verbesserung der Kommunikation, wenn es einen hohen Selbstoffenbarungsanteil hat. So ist es ein Unterschied, ob man sagt: «Sie haben mich beleidigt!» oder ob man sagt: «Ich fühle mich verletzt!» – In der ersten Äußerung unterstellt der Empfänger, dass er das zwangsläufige Opfer einer bösen Tat geworden ist, und leugnet seinen eigenen Anteil an dem Gefühl. In der zweiten Äußerung stellt er einfach fest, was ist. Seine Verletztheit ist eine Realität, und er macht den Sender damit bekannt. Die Frage: «Was hat das mit mir – was hat das mit dir zu tun?» wird zunächst offen gelassen.
Ich-Botschaften. Derartige Nachrichten mit hohem Selbstoffenbarungsanteil werden «Ich-Botschaften» (Gordon 1972) genannt. Durch die Ich-Botschaft gibt man etwas von dem eigenen Innenleben preis. Die Ich-Botschaft steht im Gegensatz zur «Du-Botschaft», bei der eine Aussage über den anderen gemacht wird. Meistens findet hier ein blitzschneller Übersetzungsvorgang statt, bei dem eigene Gefühle (z.B. «Ich fühle mich übergangen») in Beschreibungen über den anderen (z.B. «Du bist rücksichtslos») überführt werden. Dies hat nicht nur den Nachteil, daß der andere sich angegriffen fühlt und in dem Wunsch nach Rehabilitation zur konstruktiven Problemlösung unfähig wird, sondern entfernt auch den Sender von sich selbst und seiner inneren Klarheit:
«Wenn ich … verstehen lerne, dass der Satz ‹Du bist blöd, nett, schwachsinnig, schizophren, kooperativ›, weniger über mich und meine Einstellung zum anderen aussagt als der Satz ‹Ich lehne dich ab, fühle mich angezogen usw.›, wird … Selbstwahrnehmung leichter. Häufig läßt sich nun im Gespräch klären, welche Anteile einer Aussage ‹zu mir gehören› und welche zum anderen.» (Dörner und Plog 1978, S. 31)
Du-Botschaften sind besonders ungünstig, wenn es sich um Diagnosen oder Interpretationen handelt. Beispiel: «Du baust eine Schutzwand auf, um nicht verletzt zu werden – aber sie hindert dich, eine menschliche Beziehung einzugehen.»
Eine solche Psychodiagnose mag richtig oder falsch sein – in jedem Fall ist die Begleitbotschaft («Ich weiß, was mit dir los ist») für den anderen meist unannehmbar. – Zum Konzept der Ich-Botschaft siehe auch S. 125 und 304f..
Es ist offensichtlich, dass auch eine Rückmeldung – wie jede Nachricht – vier Seiten hat: Der Empfänger (= Feedback-Spender) weist auf Sachverhalte hin; gibt vor allem etwas von sich selbst kund, nämlich wie er auf die Nachricht reagiert, was er hineinlegt und was sie bei ihm auslöst (Selbstoffenbarung). Er drückt aus, wie er zum Sender steht (Beziehung), und oft hat das Feedback auch deutlichen Appell-Charakter, indem es die Aufforderung an den Sender enthält, etwas zu ändern oder beizubehalten.
Übung
Besinnen Sie sich auf drei Menschen, die Sie kennen.
a) Bezeichnen Sie jeden mit je zwei passenden Eigenschaftsworten, jeweils einem positiven und einem negativen. Zum Beispiel: Onkel Otto: nett, unpünktlich.
b) Verwandeln Sie jetzt die Eigenschaftsworte (welche Du-Botschaften sind) nacheinander in «dahinterstehende» Ich-Botschaften.
Z.B. «nett» – «Ich fühle mich akzeptiert von Onkel Otto.»
«Unpünktlich» – «Schon mehrmals habe ich mich geärgert, wenn er später kam als angekündigt.»
Wir können jetzt das vorläufige Kommunikationsmodell der Abb. 4 (S. 33) vervollständigen, indem wir das (ebenfalls quadratische) Feedback mit aufnehmen und indem wir zwischen gesendeter und empfangener Nachricht unterscheiden:
Abb. 34:
Vervollständigtes Modell der zwischenmenschlichen Kommunikation.
IV.
Interaktion
(oder: Das gemeinsame Spiel von Sender und Empfänger)
Bisher haben wir die Nachricht kommunikationspsychologisch unter die Lupe genommen und damit sozusagen die kleinste Einheit der Kommunikation betrachtet. In diesem Abschnitt möchte ich den Blickwinkel etwas erweitern. Denn die Kommunikation ist
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