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Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Titel: Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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gebeten, sagte Ruth Cohn gelegentlich: «Sag einfach, was mit dir ist, das ist ein ungeheurer Trick» (Thomann, 1980).
    Um mich nach außen hin so geben zu können, wie mir innerlich zumute ist, bedarf es aber auch der Fähigkeit, dieses inneren Zumuteseins überhaupt gewärtig zu sein, zu wissen, «was mit mir ist».
    Das antike «Erkenne dich selbst» erscheint uns auch in der modernen Psychologie als letzte Weisheit. Selbstoffenbarung in diesem Sinne (des Sich-selbst-offenbar-Seins) bedeutet, sich selbst nichts vorzumachen und hellhörig zu werden für die eigene Innenwelt. Dies ist nicht mit einem einfachen Vorsatz getan. Die Antwort auf die Frage «Wer bin ich?» braucht Nachforschung bis zum letzten Augenblick. Und da hier nicht nur Schätze zu heben sind, sondern auch «unansehnliche» Teile, da die Begegnung mit dem eigenen «Schatten» (Jung) sehr schmerzlich sein kann, ist Selbsterkenntnis nicht mit einem oberflächlichen Lustprinzip zu begründen. Dennoch haben die Weisen und Philosophen aller Zeiten der Selbsterkenntnis als Lebensziel einen hohen Rang gegeben (vgl. Schumacher 1977, S. 91–94). Wer Erkenntnis und Liebe als seinen Lebenssinn anerkennt, der braucht Selbsterkenntnis als notwendige Grundlage für beides.
    Die Selbsterkenntnis des jeweiligen Augenblicks heißt «Bewusstheit» (awareness) – ein zentraler Begriff der Gestalttherapie: «Es handelt sich um einen Zustand aufmerksamer Wachheit gegenüber den Dingen, die im jeweiligen Augenblick hier und jetzt in mir, mit mir und um mich herum vorgehen» (Petzold 1973, S. 276).
    4.1
    Kongruenz bzw. Authentizität
    Die Wegweiser der Kommunikationspsychologie lauteten: Sei du selbst, gib dich nach außen hin so, wie dir innerlich zumute ist. Und als Voraussetzung dafür: Versuche dir selbst klar zu werden, wie dir innerlich zumute ist (offenbare dich dir selbst, erkenne dich selbst)! – Diese Wegweiser sind in der Psychologie meist mit den Begriffen «Kongruenz» bzw. «Authentizität» beschriftet.
    Mit Kongruenz ist bei Carl Rogers die Übereinstimmung zwischen drei Bereichen der Persönlichkeit gemeint: Inneres Erleben (= was ich fühle, was sich in mir regt), Bewusstsein (= was ich davon bewusst mitkriege) und Kommunikation (= was ich davon mitteile, nach außen hin sichtbar werden lasse).
    Über die Bedeutung des Verhaltensmerkmals Kongruenz für die zwischenmenschliche Kommunikation macht Rogers (1973) sinngemäß folgende Aussagen:

     
Je kongruenter der Sender kommuniziert, desto klarer und eindeutiger ist die Nachricht für den Empfänger zu verstehen. Inkongruente Nachrichten dagegen bewirken leicht Misstrauen und Unsicherheit; der Empfänger weiß nicht recht, «woran er ist».
Je weniger der Sender sich in positiver Selbstdarstellung übt und je offener er seine Gefühle und Gedanken «preisgibt», desto weniger braucht der Empfänger selbst auf der Hut zu sein. Und wer nicht auf der Hut sein muss, kann zuhören, wirklich intensiv zuhören.
Je mehr aber der Empfänger wirklich zuhört, umso mehr wird sich der Sender verstanden fühlen. Und wenn er sich verstanden fühlt, wird er dem Empfänger positive Wertschätzung (auf der Beziehungsseite der Nachricht) entgegenbringen.
Dies wiederum merkt der Empfänger, fühlt sich akzeptiert und kann seinerseits kongruenter kommunizieren. – So verstärken sich die positiven Gesprächsmerkmale gegenseitig, und der zwischenmenschliche Dialog nimmt therapeutische Qualitäten an, charakterisiert durch die drei Grundmerkmale Kongruenz, positive Wertschätzung und einfühlendes Verständnis.
    Inkongruenz erster und zweiter Art. Bei der gegenteiligen Erscheinung, der Inkongruenz , sind zwei Stufen zu unterscheiden. Nehmen wir das Beispiel einer Arbeitskonferenz: Jemand hat einen anderen mit einem abwertenden Kommentar «schlecht aussehen» lassen. Der Betroffene geht erregt und mit lauter Stimme zum Gegenangriff über. Jemand sagt: «Ich verstehe, dass Sie sich ärgern …» Der Betroffene unterbricht erregt: «Ich ärgere mich überhaupt nicht. Im Gegenteil, mich amüsiert das Ganze, es geht mir nur um die Sache!»
    Diese letzte Aussage (Kommunikation) steht in deutlichem Gegensatz zum inneren Erleben, wie es für jedermann wahrnehmbar ist. Zwei Sachverhalte sind hier vorstellbar: 1. Der Mann merkt, dass er gekränkt und wütend ist (inneres Erleben wird bewusst), aber er versucht, dies nach außen zu verbergen («amüsiert» … «nur die Sache»), um sich keine Blöße zu geben. Dies wäre

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